Kommentar
Schüssler 2008
Konjunkturprognostiker
unter Panik
von Klaus F. Zimmermann*
In bunter Folge legen Wirtschaftsforschungsinstitute, Bankenvolks-
wirte und nationale und internationale Institutionen ihre Analysen zur
wirtschaftlichen Entwicklung vor. Gerade hat das DIW Berlin wieder
seine Herbstprognose vorgestellt. In diesen Tagen wird eine Gemein-
schaftsdiagnose diverser Institute erwartet, der schon bald der Sachverstandigenrat
mit seinem Jahresgutachten folgt. Verwirrt diese Vielfalt nicht nur? Braucht man diese
Masse an Offentlichen Interventionen überhaupt und sind sie nicht gar gefahrlich?
Aber darf man neue Informationen einfach ignorieren?
Hohe Unsicherheiten erzwingen haufige Revisionen. Kein Wunder, dass das Interesse
groβ, aber auch die Verargerung nachhaltig ist, wenn Unterschiede und Revisionshau-
figkeiten zunehmen. Aber die Vielfalt liefert wichtige Informationen über die Genau-
igkeit des Erkenntnisstandes. Denn je groβer die Unsicherheit ist, um so Verschiedener
sind auch die Ansichten der Prognostiker. Prognosen sind immer nur bedingte Wahr-
scheinlichkeitsaussagen. Genaues wissen nur Kaffeesatzleser und Wahrsagerinnen.
Derzeit ist die Schlüsselfrage, welche Konsequenzen sich aus der Finanzmarktkrise für
Konjunktur und Arbeitsmarkt ergeben. Die Wahrheit ist, dass Finanzmarkte in allen Kon-
junkturmodellen nur unzureichend abgebildet sind. Das reicht, um schon zu normalen
Zeiten ratlos zu sein. Um so mehr, wenn ein ganzer Sektor zusammen zu brechen droht.
Die Konsequenzen groβer Systemanderungen sind allemal unprognostizierbar.
Der Prognostiker ist aber leider auch Partei. So ringt der Internationale Wahrungsfonds
um Einfluss und Existenzberechtigung. Und mit Krisengerede erreicht man immer die
groβte Medienaufmerksamkeit. Dann erliegen die Prognostiker angesichts der wilden
Eruptionen an den Borsen dem süβen Gift der Panik. Die Entwicklung dort ist aber keine
Aufgabe für Finanzmarktanalysten mehr, sondern eine für VerhaltensOkonomen. Doch
die werden erst gar nicht gefragt.
Die Verlangsamung der Konjunktur ist seit langem prognostiziert. Es war klar, dass
sich die Strukturkrise der amerikanischen Automobilindustrie auch auf uns auswirken
wird. Es ist fragwürdig, für alles jetzt die Finanzkrise zum Sündenbock zu machen. Es
ist eben auch wahr, dass alle Anzeichen auf eine positive Beschaftigungsentwicklung
bis ins nachste Jahr, auf fallende oder niedrigere Energie- und Lebensmittelpreise, auf
einen sinkenden Eurokurs und fallende Zinsen hindeuten. Die Weltrezession ist gar
nicht ausgemacht, wenn angemessen reagiert wird.
Aber Panik verkauft sich gut. Und Panik schafft Panik, insbesondere in diesen Zeiten.
Hier wird der Prognostiker zum Akteur. Er wird nicht nur endlich gehOrt. Nein, er kann
auch zu dem beitragen, was er prognostiziert.
* Klaus F. Zimmermann ist Prasident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Vorsitzen-
der der Arbeitsgemeinschaft der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute (ARGE) in Deutschland.