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zeigt sich in diesem Fall auch dadurch, daβ diese Vorschriften teilweise mit Hilfe der Verfassungs-
initiative in die Verfassung hineingeschrieben wurden.
Die Nachwirkungen der Steuerrevolte waren in nahezu allen Bundesstaaten zu spüren: 47 Bundes-
staaten reduzierten zwischen 1978 und 1979 die Steuern (Reis 1986: 29), immerhin 37 Staaten
reduzierten die Grundsteuer und mehr als ein Dutzend Bundesstaaten stimmten in den Jahren 1978
und 1979 über ahnliche Vorlagen ab (Magleby 1994: 239). Diese Spill-over Effekte sind Ausdruck
eines Steuerwettbewerbs im Foderalismus der USA. Kritiker sehen in einem solchen Konkurrenz-
foderalismus eine Negativspirale mit einem „race to the bottom“, insbesondere in der Sozialpolitik
(Peterson 1994: 108f.). Neuere Daten der Sozialausgaben in den US-Bundesstaaten zeigen trotz
Rückführung der Ausgaben jedoch keinen massiven Abbau (Daten des statistischen Bundesamtes
der USA; Council of State Governments 1998).
6. Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daβ die direkte Demokratie einen wichtigen Schlüssel
zur Erklarung der Entwicklungsdynamik des Sozialstaates in der Schweiz und in Kalifornien liefert.
Wahrend in der Schweiz das von konservativer Seite und Interessengruppen instrumentalisierte
Referendum bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs die Ausbreitung der Sozialversicherung
wesentlich verzogert und in andere Bahnen gelenkt hat und die vorwiegend von der politischen Lin-
ken lancierten Volksinitiativen in dieser Phase keine richtige Schubwirkung entfalten konnten, wur-
de der take-off des Sozialstaates nach 1945 von der Volksinitiative mitgetragen und vom Referen-
dum nicht entscheidend gebremst. In Kalifornien, wo nur ein spezifisches Segment der Sozialpolitik
durch die Direktdemokratie beeinfluβt werden kann, wird die Initiative dagegen sehr viel starker
von konservativer Seite eingesetzt. Seit 1975 kommt in der Schweiz die Bremswirkung des Refe-
rendums starker zur Geltung, wahrend die Mobilisierungskraft der Initiative zurückgeht. In Kali-
fornien laβt sich in zeitlicher Perspektive ahnliches feststellen, da insbesondere nach der erfolgrei-
chen Proposition 13 die Bremseffekte viel starker zum Tragen kommen. Das in der Schweiz zuse-
hends von der politischen Linken ergriffene Referendum erweist sich als taugliches Element, einen
einseitigen Rückbau sozialer Sicherung zu blockieren. Die Chance zu dramatischen sozialpoliti-
schen Politikanderungen sowohl in eine expansive als auch in eine restriktive Richtung ist damit
aufgrund der institutionellen Gegebenheiten der Schweiz gering. Der sozialpolitische Entschei-
dungsprozeβ zeichnet sich folglich durch lange Vorlaufzeiten und inkrementalistische Reformen
aus. Insgesamt zeigt sich für beide Untersuchungsfalle ein klarer retardierender Effekt mit struktur-
konservativer und fiskalisch restriktiver Wirkung des Referendums. In Kalifornien gilt dies auch für
die Initiativen. Es soll jedoch ausdrücklich betont werden, daβ die durch das Referendum mitbefor-
derte hohe Policystabilitat keinesfalls zwangslaufig eine Innovationsschwache des politischen Sy-
stems impliziert, zumal das schweizerische politische System in Gestalt der Volksinitiative und des
Foderalismus auch über eine Reihe von institutionellen Innovationskanalen verfügt. Die Direktde-
mokratie ist somit - besonders mit Blick auf die Schweiz - in Abhangigkeit der verschiedenen di-