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es keinen durchgangigen Rückbau mittels direktdemokratischer Entscheidungen gibt, sondern der
Souveran durchaus fur einen Ausbau der sozialen Sicherung votiert.
5.3. Qualitative Effekte
Eine quantitative Analyse aller Vorlagen gewichtet jede Maβnahme gleich. Im Hinblick auf den
realen Einfluβ einer bestimmten Entscheidung begeht man damit einen gewissen Fehler: manche
Abstimmungen haben einen starken und nachhaltigen EinfluB auf die Staatstatigkeit gehabt und sind
somit als Schlüsselentscheidungen zu qualifizieren. Eine weitere Besonderheit ist die unterschiedli-
che staatliche Analyseebene im Vergleich zur Schweiz, da Kalifornien als Bundesstaat, wie alle
US-Bundesstaaten, nur eingeschrankte Regelungskompetenzen für die Sozialpolitik aufweist
(Murswieck 1996: 196f.) und es gerade in der Sozialhilfe eine enge Verflechtung zwischen Bund,
Einzelstaaten und Gemeinden gibt. Wahrend bei der Schweiz sich eindeutig Struktur-, Zeitveroge-
rungs- und Ausgabeneffekte ausmachen lassen, zeigt sich in Kalifornien nur der Ausgaben- und
Zeitverzogerungseffekt eindeutig, wahrend der Struktureffekt der Direktdemokratie nur einge-
schrankt sichtbar ist. Der Struktureffekt in der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme kann
deshalb schlechter nachgewiesen werden, weil Rahmenbedingungen der Sozialpolitik in Washing-
ton gesetzt werden und nur die Umsetzung der Programme den Bundesstaaten überlassen bleibt.
Ihre Kompetenz besteht dann oft lediglich in der Festsetzung eines Mehr oder Weniger im Lei-
stungskatalog.
Gleichwohl gibt es durchaus Abstimmungen, bei denen ein struktureller Effekt nachzuweisen ist.
Dies gilt insbesondere für die Steuerpolitik, da hier die Bundesstaaten eigene Gesetzgebungskom-
petenzen besitzen. Jede neue Steuer, aber auch deren Abschaffung muβ dem Volk zur Entschei-
dung vorgelegt werden. Die Senkung der Grundbesitzsteuer von einem hohen auf ein niedriges
Niveau wie durch die Proposition 13 von 1978 ist ein solches Beispiel (Bauer 1996: 111). Auch
weisen die meisten steuerpolitischen Abstimmungen sozialpolitische Implikationen auf, da die Er-
tragskompetenz zweckgebunden ist. Gerade im Bereich der Bildungspolitik laβt sich für Propositi-
on 13 eine solche Konsequenz nachweisen, da sich Angebot und Qualitat wegen des eingeschrank-
ten finanziellen Spielraums der Lokalkorperschaften verringerte. Wahrend also bei der Ausgestal-
tung des Steuersystems der Struktureffekt eindeutig ist, finden sich weniger Beispiele für die Sozi-
alpolitik. Ein solches Beispiel war der Versuch mit Proposition 174 vom November 1993, die
Schulbildung zu reformieren. Dabei sollte ein Bildungsgutscheinsystem („vouchers“) eingeführt
werden, das mit offentlichen Geldern finanziert werden sollte. Die Gutscheine sollten auch für
Schulgebühren an privaten Schulen verwendet werden konnen. Die Auswirkungen der Voucher-
Initiative, deren Hauptziel Einsparungen waren und die letzten Endes nicht angenommen wurde,
waren hochst unklar, da sie eine gravierende Veranderung der finanziellen Basis der Schulen nach
sich gezogen hatte, da insbesondere nicht sicher war, wieviel Schüler auf Privatschulen wechseln
würden und wie sich das Ausgabenverhalten der offentlichen Hand andern würde (Shires u.a.
1994).