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Zuwanderungen aus Mittel- und Osteuropa trotz Arbeitsmarktbarrieren deutlich gestiegen

Arbeitsaufnahme durch Selbstandigkeit
ausgeweitet

Weitere Informationen über die Zuwanderer aus den
neuen EU-Staaten liefern die Daten des Mikrozensus
für 2005. Darin wurden Auslander unter anderem
danach gefragt, wie lange sie bereits in Deutschland
leben. Jene, die maximal ein Jahr hier sind, kon-
nen als Zuwanderer nach der EU-Osterweiterung
angesehen werden - wenn auch mit Vorbehalten.26
Groβ ist deren Zahl in der Stichprobe zwar nicht, für
statistische Analysen ist sie aber ausreichend.27

Hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung und der Er-
werbslosigkeit unterscheiden sich die nach der EU-
Erweiterung Zugewanderten aus Polen, Tschechien,
der Slowakei und Ungarn nicht von den Migranten
dieser Nationalitaten, die schon zuvor in Deutschland
waren (Tabelle 7 sowie Tabelle 1). Ihre Erwerbsbe-
teiligung ist aber groβer und die Erwerbslosigkeit
geringer als die der Migranten anderer Nationalitat,
die in derselben Zeit nach Deutschland gekommen
sind. Unter den Migranten aus Polen, Tschechien,
der Slowakei und Ungarn haben relativ viele ein
mittleres Bildungsniveau, aber vergleichsweise
wenige einen Hochschulabschluss. Ins Auge fallt,
dass ein groβer Teil (40 %) der nach der Erweiterung
zugezogenen Erwerbstatigen Selbstandige sind. Bei
den vorher Zugezogenen ist dieser Anteil viel gerin-
ger (14 %). Dies lasst vermuten, dass die seit Mai
2004 gegebene Moglichkeit, sich als Selbstandiger
in Deutschland - etwa als Handwerker - niederzu-
lassen, von vielen Zuwanderern dazu genutzt wurde,
in Deutschland eine Tatigkeit aufzunehmen. Denn
mit der EU-Osterweiterung wurde den Bürgern aus
den neuen Mitgliedstaaten die Niederlassungsfrei-
heit für Selbstandige gewahrt.

Fazit

ErwartungsgemaB haben nach der EU-Osterweite-
rung die Zuzüge aus Mittel- und Osteuropa in solche
Staaten zugenommen, die Arbeitnehmerwanderun-
gen weitgehend zugelassen haben. Gestiegen sind
indes auch die Zuwanderungen nach Deutschland
als einem der wenigen Lander, die Arbeitnehmern
aus den neuen Mitgliedstaaten bisher keine Frei-
zügigkeit gewahrt haben. Offenbar wurde die seit
2004 bestehende Moglichkeit genutzt, über eine
selbstandige Tatigkeit eine Arbeitserlaubnis zu
erlangen. Die Zuwanderungsbarrieren wurden so-

26 Personen, die in den Monaten Januar bis April 2005 befragt wur-
den, konnten schon kurz vor der EU-Osterweiterung nach Deutschland
gezogen sein, wenn sie angegeben haben, maximal erst ein Jahr in
Deutschland zu leben. Vermutlich ist eine solche Verzerrung aber
gering und somit zu Vernachlassigen.

27 Sie belauft sich bei den Migranten aus Polen, Tschechien, der
Slowakei und Ungarn auf 130 Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren.

Tabelle 7

Erwerbsstatus, Ausbildungsabschluss und Selbstandigenquote
von Auslandern, die vom Frühjahr 2004 bis zum Frühjahr 2005
nach Deutschland gewandert sind1

Anteile in Prozent

Zuwanderer aus

Polen, Ungarn,
Tschechien, Slowakei

anderen Landern

Erwerbsstatus

Erwerbstatig

44

30

Erwerbslos

12

15

Nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehend

44

55

Insgesamt

100

100

Ausbildungsabschluss

Kein Abschluss

32

43

Lehre, Fachschule

55

28

Hochschule

13

29

Insgesamt

100

100

Selbstandigenquote

40

10

1 Im Alter von 16 bis 64 Jahren.

Quellen: Mikrozensus Scientific-Use-File; Berechnungen des DIW Berlin.                 DIW Berlin 2007


mit unterlaufen, freilich tendenziell zugunsten des
heimischen Arbeitsmarktes.

Arbeitsmarktrestriktionen dürften insbesondere
qualifizierte Arbeitskrafte vom deutschen Arbeits-
markt fernhalten, denn gerade diese werden nur
dann in Deutschland tatig werden wollen, wenn
ihnen kalkulierbare Beschaftigungsperspektiven
mit rechtssicheren Arbeitsverhaltnissen angeboten
werden. Solche Fachkrafte werden aber inzwischen
immer mehr gesucht. In der hier vorgelegten Analyse
haben sich ferner Hinweise darauf ergeben, dass das
Qualifikationspotential der bereits in Deutschland
lebenden Staatsangehorigen aus den mittel- und
osteuropaischen Landern nicht hinreichend ge-
nutzt wird. Weil nach Ablauf der Übergangsfristen
Ende 2011 ohnehin die volle Freizügigkeit für alle
Arbeitnehmer realisiert werden muss, ist es halb-
herzig, sie nun lediglich bestimmten Ingenieuren
gewahren zu wollen und die übrigen Arbeitnehmer
und insbesondere andere Fachkrafte aus den neuen
Mitgliedslandern aber unverandert zu vertrosten.
Aus dem Blick gerat dabei nicht allein, dass für ein
Zusammenwachsen Europas die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer substantiell ist. Verkannt wird auch,
dass die Arbeitskrafte aus den neuen Mitgliedstaaten
groβtenteils qualifiziert sind und einen Zugewinn
für den deutschen Arbeitsmarkt darstellen würden.
Deutschland ware schlecht beraten, sich weiterhin
selbst um die okonomischen Vorteile zu bringen, die
in einer beschleunigten Einführung voller Freizü-
gigkeit für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten,
im Übrigen aber auch in der Vorbereitung einer
selektiven, bedarfsorientiert mit Quotierungen und
mit Auswahlsystemen operierenden Zuwanderungs-
politik gegenüber Drittstaaten liegen.

JEL Classification:

F22, J61

Keywords:

Migration,
EU enlargement


Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 44/2007    653



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