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5.4. Per systemtheoretisch-allqemeine Entropiebeqriff in der Okonomie
Entropie und Energie sind zwei Unterschiedliche Seiten eines gleichen Gegen-
standes, sind allen Materie-Objekten eigen, gleich welcher niederen Oder hôhe-
ren Bewegungsform. Welches ist nun das zum Okonomischen Energiebegriff
passende Okonomische Entropieverstandnis, und kann aus der Beantwortung
dieser Frage nicht eine gewisse Ordnung in die Beschreibung der Evolution von
Wirtschaftssystemep gebracht werden?
Der Autor hat in Abschnitt 4.5 Okonomische Energie an die Wirtschaftlichen
Handlungen, der Menschen gebunden. Also muβ Okonomische Entropie - ausge-
hend von ihrer unter 5.1. dargelegten Universellen Bedeutung - die Ungeord-
netheit bzw. Ungerichtetheit der Okonomischen Handiungen Zieinhalten, also in
den Okonomischen Strukturen zum Ausdruck kommen. Wirtschaftliche Struktur-
beziehungen, wie sie in den Abschnitten 5.2 und 5.3 herausgearbeitet wurden,
Stellen sich wiederum in dem Maβe als (un)geordnet bzw. (un)gerichtet dar, wie
Wirtschaftliche Ungleichgewichte, angestoβen durch Umweltveranderungen,
über Flüsse (zu Gleichgewichten hin tendierend) ausbalanciert werden. Da das
Niveau, auf dem jedes Wirtschaftssystem Seinestationare Bewegung in einem
Flieβgleichgewicht realisiert, von den gegebenen Bedijrfnissen abhangig ist, hat
also auch die Strukturiertheit stets diese Bedijrfnisse und die so determinierte
relevante Umwelt zum Bezug. Man kann die Evolution eines gegebenen Wirt-
Schaftssystems also nicht Iosgelost von der Bedijrfnisbefriedigung als Hoher-
bzw. Destrukturierung werten.56 Der Unterschied einer so Verstandenen δko-
nomischen Entropie - als Ungeordnetheit menschlicher Handlungen in Bezug auf
die Befriedigung gegebener Bedijrfnisse - zum naturwissenschaftiichen Entro-
pieverstandnis, zeigt sich beispie!sweise in folgendem: Die Produktion eines
Autos bündelt in einem technologisch geordneten Prozeβ Ressourcen zu einem
Produkt von hoher technisch-naturwissenschaftlicher Geordnetheit. Wenn die
Gesellschaft aber Autos ablehnt, Iieber Rad fâhrt, ist das Auto Okonomisch
nutzlos, und allé Handlungen und Ressourcen, die zu seiner Produktion aufge-
bracht wurden, erweisen sich aus der Sicht der gegebenen Bedurfnisse als un-
geordnet bzw. unstrukturiert. Die menschlichen Handlungen und aile mit ihnen
einhergehenden Okonomischen Stoff-, Energie- und Informationsflijsse münden
in diesem Fall also nicht in ein Flieβgleichgewicht bei gegebenen Bedijrfnissen.
56Insofem erweisen sich die Ordnungswert-Ljberlegungen von RIEDL (1975) gemiiβ (31) fur Wirtschafliche
Betrachtungen als problematisch; sie schatzen Strukturentwicklung ausgehend von der Notwendigkeit eines
"Milieu des Humanen'' (S. 339) ein und bewerten aus dieser kulturellen Sicht Vermassung als niedere und
Individualisierung als hðhere Strukturformen. Eine Gesellschaft mit "hohen" kulturellen Werten stellt sich
jedoch dann als unstrukturiert dar, wenn sie sich die kulturell geformten Bediirfnissen Wirtschaftlich nicht
Ieisten kann.