Integration von Migranten:
Ethnische Identitat bestimmt
Okonomischen Erfolg
Ethnische Vielfalt ist eine Quelle für okonomische
Vorteile, die sich Migranten und ihre Aufnahme-
lander zunutze machen konnen. Insbesondere
der Grad an Bindung oder Identifikation mit dem
Aufnahme- und Herkunftsland determiniert den
okonomischen Erfolg von Zuwanderern. Grund-
lage eines solchen Verstandnisses kann ein multi-
dimensionales Verhaltnis zum Heimat- und Auf-
nahmeland sein. Es zeigt sich, dass ethnische
Identitaten stark von den mitgebrachten Erfah-
rungen aus dem Heimatland und weniger von den
Bestimmungsfaktoren des Aufnahmelandes ge-
pragt werden. Doppelstaatliche ethnische Identi-
taten sind kein Hindernis, sondern - insbesondere
bei Frauen - ein Garant für okonomischen Erfolg.
Daher sollte eine vorausschauende Zuwanderungs-
und Integrationspolitik die Wirkungsfaktoren von
ethnischen Identitaten berücksichtigen, um auf
diesem Weg gleichberechtigte Integration und
ethnische Vielfalt zu ermoglichen und schlieβlich
die Kreativitat und Dynamik von Gesellschaften zu
erhohen.
Lokale Arbeitsmarkte in Europa weisen vielfach ein
Überangebot an gering qualifizierten Arbeitskraf-
ten auf, wahrend es an qualifizierten Arbeitskraften
oftmals mangelt. Hinzu kommt ein beschleunigtes
Schrumpfen der Bevolkerung im arbeitsfahigen
Alter und damit ein Rückgang der Erwerbsbevol-
kerung. Einige Staaten Westeuropas haben hierauf
schrittweise mit einer Reform ihrer Zuwanderungs-
gesetzgebung reagiert. Doch obwohl inzwischen
sukzessive mehr okonomische Kriterien Einzug in
die nationalen Zuwanderungspolitiken halten und
auch auf der Ebene der Europaischen Union Ini-
tiativen zu einer starker arbeitsmarktorientierten
Migrationspolitik unternommen werden, kann
die wachsende Nachfrage nach hoch qualifizierten
Arbeitskraften zusehends weniger erfolgreich ge-
deckt werden. Gleichzeitig arbeiten Immigranten
allzu oft im Niedriglohnbereich - haufig ungeach-
tet ihrer eigentlich hoheren Qualifikation - oder
sind arbeitslos gemeldet. Hierdurch verscharfen
sich die bereits durch einheimische gering Qua-
lifzierte gegebenen Probleme.
Dass viele Migranten über ein ausgepragtes kul-
turspezifisches Humankapital verfügen, das in ei-
ner zunehmend global vernetzten, arbeitsteiligen
Gesellschaft von hohem Wert sein kann, wird von
den aufnehmenden Landern bislang weitgehend
ignoriert. Ebenso wird die Rolle der ethnischen
Identitat in Bezug auf den Arbeitsmarkterfolg von
Immigranten bislang unterschatzt. Vor diesem
Hintergrund untersucht die vorliegende Studie,
inwiefern die ethnische Identitat die okonomische
Integration und damit die Arbeitseinkommen so-
wie die Erwerbsbeteiligung determinieren.1
1 Zu dieser Fragestellung finden im Rahmen der Metropolis-Tagung,
bei der sich Migrationsexperten aus Wissenschaft, Politik und Gesell-
schaft aus aller Welt jahrlich zu einem breiten gesellschaftlichen
Diskurs treffen, diesmal vom 27. - 31.10. 2008 in Bonn, zahlreiche
Sitzungen statt. Darüber hinaus leiten die beiden Autoren gemeinsam
ein von der Volkswagen Stiftung gefordertes Forschungsprojekt zum
Thema „The Economics and Persistence of Migrant Ethnicity”, der sie
für die gewahrte Unterstützung danken.
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Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 42/2008