Integration von Migranten: Ethnische Identitat bestimmt Okonomischen Erfolg
Mit einem multidimensionalen Konzept von eth-
nischer Identitat, dem so genannten „Ethnosizer“,
kann der Wert des kulturspezifischen Humanka-
pitals eines Zuwanderers gemessen werden. Der
Ethnosizer ist ein Instrument zur Messung der
Intensitat der ethnischen Identitat einer Person,
wobei die Elemente Sprache, Kultur, soziale In-
teraktion sowie ethnisches Netzwerk, Migrations-
geschichte und schlieβlich ethnische Selbstiden-
tifizierung des Individuums vereint werden.3 Die
Forschungsergebnisse auf der Grundlage dieses
Messinstruments sind solider als bisherige Ana-
lysen auf Basis von direkten Befragungen. Sie
decken auf, dass ethnische Identitaten primar
exogener Natur sind, stark nach Herkunftsland
und Geschlecht variieren und sich unabhangig
von dem sozialen und kulturellen Prozess im
Aufnahmeland bereits vor der Migration heraus-
gebildet haben.
Migranten in Deutschland
und der Ethnosizer
Unter den Zuwanderern in Deutschland gilt
seit der Gastarbeiterphase der 60er Jahre den
damaligen Hauptanwerbenationen Türkei, Jugo-
slawien, Griechenland, Italien und Spanien ein
besonderes Interesse. Sie sind auch im Sozio-
Oekonomischen Panel (SOEP) des DIW Berlin
prominent abgebildet. Da das SOEP ermoglicht,
die ethnische Identitat der Zuwanderer in einzig-
artiger Weise zu erfassen, konzentriert sich die-
se Untersuchung auf diese Migrantengruppen.
Da die zentralen Fragen in den letzten Jahren
nicht mehr vollstandig abgebildet worden sind,
basiert die Analyse auf dem Jahr 2001. Man kann
allerdings von stabilen Befunden ausgehen, da
Veranderungen der Identitaten nur sehr langsam
erfolgen.
Die betrachteten ethnischen Gruppen umfassen
gut 50 Prozent der Auslander in Deutschland
(Tabelle 1). Die Gruppe der Türken war mit 25 Pro-
zent und 1,7 Millionen Menschen Ende 2007 die
mit Abstand starkste Nationalitat, gefolgt von Mi-
granten aus dem ehemaligen Jugoslawien (14 Pro-
zent), aus Italien (acht Prozent), aus Griechenland
(vier Prozent) und Spanien (zwei Prozent). Im
Vergleich zu 2001 haben sich die Anteile kaum
verandert. Das SOEP hat eine andere Gewichtung
als das Statistische Bundesamt, die zu groβeren
und damit besser gruppenspezifisch auswert-
baren Stichproben führt. Auβerdem wurden nur
Migranten der ersten Generation berücksichtigt,
3 Vgl. Constant, A. F., Gataullina, L., Zimmermann, K. F.: Ethnosizing
Immigrants. Mimeo 2008, erscheint im Journal of Economic Behavior
and Organization.
so dass der in dieser Studie verwendete Datensatz
von der amtlichen Statistik abweicht.
Gemaβ dem Messkonzept des Ethnosizers wer-
den Befragungsdaten für jedes Individuum für
fünf Elemente herangezogen, um wiederholte
Messungen für seine ethnische Klassifikation zu
haben:
1 Sprache (die Selbsteinschatzung über das Re-
den und Schreiben in Deutsch und der Mut-
tersprache),
2 Kultur (die benutzten Medien aus Deutschland
und dem Heimatland),
3 soziale Interaktion und ethnisches Netzwerk
(die ethnische Struktur der Freunde und der
Verwandtschaft),
4 Migrationsgeschichte (die Absicht, ins Heimat-
land zurückzukehren und/oder die deutsche
Staatsbürgerschaft zu beantragen) und
5 ethnische Selbstidentifizierung des Individu-
ums (als deutsch und/oder der Heimat ver-
bunden).
In jedem dieser Elemente wird jedes Individuum
einem der vier Identitatszustande (Integration,
Assimilation, Separierung, Marginalisierung)
zugewiesen. Aufgrund der fünf Beobachtungen
konnen die entsprechenden Regimevariablen
eine Auspragung von 0 bis 5 haben, wobei sich
die Variablen zu fünf summieren.
Tabelle 2 enthalt die Verteilung der Regimevaria-
blen für den gesamten Datensatz. Sie dokumen-
tiert, dass bei den Individuen nur eine schwache
Zuordnung zu einzelnen Regimen vorliegt. Es
ist deshalb umso problematischer, sich bei der
Klassifikation nur auf einen Indikator (beispiels-
weise die Selbsteinschatzung) zu verlassen, wie
dies bisher in der Literatur gemacht wird. Üb-
licherweise wird unterstellt, dass Integration
und Assimilation mit langerer Verweildauer im
Tabelle 1
Auslander in Deutschland
Statistisches Bundesamt |
SOEP1 | ||||
31.12.2007 |
31.12.2001 |
2001 | |||
Personen |
I Prozent |
Personen |
I Prozent |
Prozent | |
Türken |
1 713 551 |
25,41 |
1 947938 |
26,62 |
34,8 |
Ehemalige Jugoslawen |
937762 |
13,90 |
1 085 765 |
14,84 |
18,2 |
Griechen |
294 891 |
4,37 |
362 708 |
4,96 |
8,5 |
Italiener |
528 31 8 |
7,83 |
616 282 |
8,42 |
15,3 |
Spanier |
106 301 |
1,58 |
128 713 |
1,76 |
3,6 |
Andere |
3164056 |
46,91 |
3 177 222 |
43,41 |
19,6 |
Insgesamt |
6744879 |
_______100 |
7 318 628 |
_______100 |
100 |
1 Nur Einwanderergeneration.
Quellen: Statistisches Bundesamt; SOEP. DIW Berlin 2008
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 42/2008
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