Konjunkturprognostiker unter Panik: Kommentar



Integration von Migranten: Ethnische Identitat bestimmt Okonomischen Erfolg

Ethnische Vielfalt birgt
okonomisches Potential

Wiederholt haben Studien gezeigt, dass die
durchschnittliche Arbeitsmarktperformance
von Erwerbspersonen mit Migrationshinter-
grund hinter derjenigen von Einheimischen zu-
rückbleibt. Die mangelnde Übereinstimmung
des Humankapitalangebotes von Immigranten
mit der Nachfrage der Arbeitgeber ist zweifellos
ein Grund für diese unvorteilhafte Ausgangsla-
ge. Oftmals entspricht die Ausbildung der Im-
migranten aus Drittstaaten nicht den Anforde-
rungen der inlandischen Arbeitgeber, oder es
mangelt nach wie vor an entsprechenden Zerti-
fizierungen. Aber auch gut Ausgebildeten fehlt
nicht selten das notwendige Ianderspezifische
Human- und Sozialkapital einschlieβlich guter
Sprachkenntnisse, das für den Arbeitsmarkterfolg
entscheidend sein kann. Gleichzeitig vermitteln
die zuwandererspezifischen Marktsegmente, in
denen Immigranten aufgrund ihrer kulturellen
Erfahrungen und Sprachkompetenzen bessere
Beschaftigungschancen haben, durchweg ein
deutlich niedrigeres Einkommen und geringe
Aufstiegschancen.

Dabei besitzen Immigranten, abhangig von ih-
rem Ursprungsland, zweifelsohne spezielle Fa-
higkeiten über die Einheimische nicht verfügen.
Wenn beide Gruppen komplementar zueinander
sind, ergibt sich eine Situation, von der Wirtschaft
und Gesellschaft zugunsten eines groβeren Wohl-
standes insgesamt profitieren. In ethnisch spezia-
lisierten Marktbereichen werden Immigranten
als Trager des „passgenauen“ Humankapitals
ohnehin einen potenziellen Vorteil gegenüber
Einheimischen aufweisen. Entsprechend scheint
ethnische Diversitat das Wachstum einer Wirt-
schaft eher zu erhohen, als dass dadurch nega-
tive Folgen entstehen dürften. Der Prozess der
Anpassung und Integration, den Immigranten
durchlaufen, und damit die ethnische Identitat,
sind hierbei von zentraler Bedeutung.

Ethnische Identitat

Ethnische Identitat wird als der Grad an Bindung
oder Identifikation mit dem Aufnahme- und dem
Herkunftsland verstanden. Mit dem Eintreffen
im Aufnahmeland kann die ethnische Identifi-
kation eines Immigranten als eine Bewegung
auf einer Ebene zwischen zwei Achsen charakte-
risiert werden, die das Ausmaβ der Bindung an
Aufnahme- und Heimatland anzeigen. Im Ex-
tremfall wird dabei die ursprüngliche Identitat
ganz aufgegeben oder die Identifikation mit der
neuen Heimat bleibt vollstandig aus. Dazwischen
sind verschiedene „Aggregatzustande“ der Iden-
titatsfindung denkbar, je nachdem wie stark das
individuelle Zugehorigkeitsempfinden zu beiden
Kulturen ausgepragt ist.

Vier Identitatszustande lassen sich unterschei-
den:

• Assimilation - starke Identifikation mit Kul-
tur und Gesellschaft des Aufnahmelandes bei
nur noch schwacher Identifikation mit dem
Herkunftsland;

• Integration - starke Verbundenheit mit dem
Herkunftsland, gleichzeitig aber auch starke
Bindung an das Aufnahmeland;

• Separierung - Identifikation ausschlieβlich
mit der Ursprungskultur auch nach Jahren
der Emigration;

• Marginalisierung - kein Zugehorigkeitsgefühl,
weder zur Kultur des Aufnahmelandes noch
zu derjenigen des Herkunftslandes.2

Der Status der ethnischen Eigenidentitat eines
Immigranten zu einem bestimmten Zeitpunkt
gibt Aufschluss darüber, ob er oder sie mit ei-
ner oder mehreren Gesellschaften, deren Kultur
und Traditionen vertraut ist, also das jeweilige
kulturspezifische Humankapital besitzt. Assi-
milation beschreibt einen Zustand, in dem die
Sprache des Aufnahmelandes gesprochen wird,
ausreichender Kontakt zu Einheimischen besteht
und die entsprechenden Gebrauche und Kom-
munikationsweisen vertraut sind. Gleichzeitig
ware anzunehmen, dass die Betreffenden kaum
noch kulturspezifisches Humankapital ihres Her-
kunftslandes aufweisen, wahrend im Falle von
Separation das Gegenteil der Fall ist. Integration
bedeutet den Besitz beiderlei kulturspezifischen
Humankapitals, Marginalisierung geht einher
mit dessen weitgehendem Verlust.

Die analytische Bewertung von ethnischer Iden-
titat sowie ihres Einflusses auf den Integrations-
und wirtschaftlichen Erfolg eines Zuwanderers
im Aufnahmeland begegnet besonderen Schwie-
rigkeiten: Unterschiedliche kulturelle Einflüsse
auf diese Identitat sind sehr wahrscheinlich, und
eine exakte Trennungslinie zwischen den ver-
schiedenen Elementen der ethnischen Identitat
kann kaum gefunden werden. Es wird daher ein
Analyserahmen benotigt, der die Fortdauer oder
das Verschwinden von Ethnizitat bezogen auf
den Erfolg oder Misserfolg der Immigranten in
der Wirtschaft und Gesellschaft zu erklaren ver-
mag.

2 Natürlich kOnnen in ahnlicher Weise auch Einheimische einen
Prozess der Neufindung der eigenen ethnischen Identitat durchlaufen,
wenn sie mit anderen Kulturen im In- und Ausland konfrontiert sind.

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Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 42/2008



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