Agrarwirtschaft 53 (2004), Heft 3
Die Repertory Grid-Technik eignet sich im besonderen für
die CA (Reiners, 1996; Melles und Holling, 1998);
dennoch wurde sie - vermutlich aufgrund des hoheren Auf-
wandes - bislang kaum in Anspruch genommen (Melles
und Holling, 1998: 7).
Für die Gewinnung potenziell relevanter Landschaftsfunk-
tionen des Biospharenreservates Mittlere Elbe ist diese
Technik inzwischen versuchsweise zur Anwendung ge-
kommen, sozusagen als Vorstufe für die beabsichtigte
ACA. Dabei ging man folgendermaβen vor: In einem ersten
Schritt wurden dem jeweiligen Probanden die fünf oben
beschriebenen Naturschutzszenarien (einschlieβlich Status
Quo) erlautert. Der zweite Schritt bestand in der Gewinnung
der Konstrukte, die der Proband mit den Szenarien verbin-
det: Aus den fünf Szenarien wurden nach dem Zufallsprin-
zip (Auslosung) Dreierkombinationen von Szenarien (Tria-
den) gebildet. Die erste Triade wurde dem Probanden vor-
gelegt (in Form von Karten) mit der Aufgabe sich zu über-
legen, in welcher Weise zwei der drei Szenarien einander
ahnlich sind und sich darin von dem dritten Szenario unter-
scheiden. Damit ergab sich ein Konstrukt- und ein Kon-
trastpol, die beide in einer Bewertungsmatrix notiert wur-
den (z.B. Erhalt und Verlust landwirtschaftlicher Arbeits-
platze). Danach wurden weitere Triaden ausgelost und
erneut Konstrukte gebildet. Zur Vorbereitung des dritten
Schrittes wurden neben den geauβerten Konstrukten (als
Spalten) die fünf Szenarien (als Zeilen) in die zweidimensi-
onale Bewertungsmatrix übertragen. Nun wurde der Pro-
band aufgefordert, mit Hilfe einer 5-stufigen Skala an-
zugeben, inwieweit jedes Konstrukt bzw. sein Kontrastpol
auf das jeweilige Szenario zutrifft (z.B. Skala von 5 (für
den Erhalt von landwirtschaftlichen Arbeitsplatzen) bis zu 1
(für einen entsprechenden Verlust)). Im vierten Schritt
wurde das ausgefüllte „Grid“ mittels einer Faktorenanalyse
(Hauptkomponentenanalyse) und einer Clusteranalyse aus-
gewertet. Hierdurch lieβ sich die Vielzahl der Konstrukte
auf übergeordnete bzw. zusammenfassende Begriffe von
Landschaftsfunktionen reduzieren; zudem entstanden von
einander unabhangige Landschaftsfunktionen, da durch die
Gewinnung von Faktoren und Clustern eine statistische Ab-
bzw. Eingrenzung erreicht wurde.
Die für das Biospharenreservat ermittelten Landschafts-
funktionen sind in Tabelle 5 wiedergegeben. Es sei hinzu-
gefügt, dass es sich hier um vorlaufige Ergebnisse handelt.
Vergleicht man dennoch diese Landschaftsfunktionen mit
denen, die den Befragten in der Nutzwertanalyse vorgege-
ben wurden, so fallt auf, dass die Ergebnisse der Repertory
Grid einen konkreteren Bezug zur Region haben („Lokal-
kolorit“) und vor Ort „tatsachlich“ wichtige Aspekte her-
vorheben. Eine Kategorisierung ist schwieriger, da im Ge-
gensatz zur Nutzwertanalyse unterschiedliche Ebenen von
Landschaftsfunktionen nebeneinander auftreten (z.B. land-
wirtschaftliches Einkommen und wirtschaftliches Risiko).
Durch die gewonnenen Konstrukte erhalt man zudem Hin-
weise bezüglich der Semantik in der CA-Studie, die bei der
Formulierung von Landschaftsfunktionen - besonders hin-
sichtlich der Gelaufigkeit für den zu Befragenden - eine
hilfreiche Unterstützung bieten. Insgesamt wird deutlich,
worin der besondere Vorzug der Repertory Grid-Technik
besteht: Die Gestaltung des Befragungsdesigns für die CA
wird empirisch gesteuert. Die fehlende Bestatigung der
eigenen Konzepte durch die vorgesehene Befragungsziel-
gruppe wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert
(Reiners, 1996: 40; Melles/Holling, 1998: 16).
Tabelle 5. Landschaftsfunktionen auf Grundlage | |
Landschaftsfunktion |
Auspragungen |
Landschaftsbild |
Kleinraumige Kulturlandschaft - |
Wirtschaftliches Risiko für die Region |
Gering - Mittel - Hoch |
Landwirtschaftliches |
Überregionale Erzeugung - Regio- |
Konfliktpotential |
Gering - Mittel - Hoch |
Bedeutung des Arten- |
Durchschnittlich - Hoch - |
Art von Erholung und |
Natur erleben - Aktive Erholung - |
Quelle: Eigene Zusammenstellung |
Auf der Grundlage der für das Biospharenreservat ermit-
telten Landschaftsfunktionen kann nun die Adaptive Con-
joint-Analyse (ACA) zur Praferenzermittlung für Land-
schaftsfunktionen durchgeführt werden.4 Das Besondere der
ACA liegt darin, dass die gesamte Datenerfassung in Form
eines computergestützten Interviews vor sich geht. In der
wichtigsten Befragungsphase - den Paarvergleichen anhand
von Teilprofilen - wird jede Antwort des Befragten vom
Programm dazu genutzt, einen neuen und angepassten
Paarvergleich zu generieren („adaptives Moment“). Im
vorliegenden Falle werden Paare von fiktiven Naturschutz-
szenarien gewahlt, die - für den Befragten - einen mog-
lichst gleich hohen Nutzen in den Auspragungen der Land-
schaftsfunktionen besitzen. Durch die annahernd identi-
schen Naturschutzszenarien soll der Befragte gezwungen
werden, „feinste“ Kompromisse zwischen erwünschten und
weniger erwünschten Auspragungen der Landschaftsfunk-
tionen einzugehen. Die Praferenzstruktur wird dadurch
noch deutlicher sichtbar.
Als Ergebnis der ACA erhalt man unabhangig von den
Naturschutzszenarien für samtliche moglichen Auspragun-
gen der Landschaftsfunktionen sogenannte Teilnutzenwerte.
Diese münden schlieβlich in Abhangigkeit von den vorher
festgelegten erwarteten Auspragungen der Landschafts-
funktionen und der gewahlten Verknüpfungsregel in Ge-
samtnutzenwerte der jeweiligen Naturschutzszenarien.
Personliche Konstrukte sind somit die Art und Weise eines
Menschen, seine Welt zu sehen und zu erfassen.
4 Die Adaptive Conjoint Analyse liegt als Softwarepaket der
Firma Sawtooth in der aktuellen Version 5.0 vor. Das Paket
enthalt Befragungsdesign und Interviewprogramm.
139