Agrarwirtschaft 53 (2004), Heft 3
Es fallt weiterhin auf, dass die Szenarien „Naturlandschaft“
sowohl hohe zusatzliche Kosten der Offentlichen Haushalte
als auch hohe Einkommensminderungen der landwirt-
schaftlichen Betriebe bewirken. Diese Szenarien sind durch
die Umwidmung von LN in Auenwald charakterisiert. Die
Ergebnisse zeigen, dass die im Rahmen der FOrderung von
Erstaufforstungen gezahlten Ausgleichsleistungen nicht
ausreichen, um die aus dem Flachenverlust resultierenden
Einkommensverluste der landwirtschaftlichen Betriebe zu
decken.
3.2.2 Weitere sozio-okonomische Auswirkungen
Weitere sozio-Okonomische Auswirkungen der Natur-
schutzszenarien sind in Tabelle 3 wiedergegeben. Der
Rückgang der Arbeitsplatze in der Landwirtschaft ist in den
Szenarien „Naturlandschaft“ besonders ausgepragt (knapp
ein Drittel der Beschaftigten). Dasselbe gilt für die Erzeu-
gung von Nahrungsmitteln (gut ein Fünftel). Die durch die
Landschaftspflege i.e.S. entstehenden Einkommen - er-
rechnet auf Grundlage des Arbeitsbedarfs der in den Natur-
schutzszenarien enthaltenen zusatzlichen Pflegemaβnah-
men - sind naturgemaβ bei Szenario ,,Kulturlandschaft-
maximal“ besonders hoch. Geht man davon aus, dass die
betreffenden MaBnahmen so weit wie moglich von den
landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt werden (nam-
lich in den ,Arbeitstalern“; entsprechende Berechnungen
wurden für jeden Einzelbetrieb durchgeführt), so enstehen
auβerhalb der Landwirtschaft nennenswerte Beschafti-
gungseffekte nur bei Szenario ,Kulturlandschaft-maximal“.
Tabelle 3. Status Quo und Naturschutzszenarien: Arbeitsplatze in
der Landwirtschaft, NahrungsgUtererzeugung und
Einkommen / Arbeitsplatze durch Landschaftspflege
Szenario |
Arbeitsplatze (AK) |
Erzeugung (1000 GE) |
Einkommen |
Arbeitsplatze |
Status Quo |
88 |
490,0 |
- |
- |
Naturlandschaft- |
57 |
379,1 |
10,7 |
- |
Naturlandschaft- |
63 |
391,5 |
10,5 |
- |
Kulturlandschaft- |
86 |
463,9 |
147,8 |
10,1 |
Kulturlandschaft- |
85 |
479,8 |
39,0 |
1,6 |
Quelle: Eigene Berechnungen
3.2.3 Hochrechnung
Für die Nutzwertanalyse (s.u.) wurden die für die Refe-
renzbetriebe berechneten Ergebnisse auf das gesamte Un-
tersuchungsgebiet ,hochgerechnet“. Zu diesem Zweck
wurden die Referenzbetriebe den drei Teilraumen ,KOthe-
ner Ackerland“, ,Elbtal“ und ,Zerbster Ackerland“ zuge-
ordnet und ihre Ergebnisse jeweils mit dem Flachenanteil
des Teilraumes am gesamten Untersuchungsgebiet ge-
wichtet.
4. Entscheidungsmodell (I):
Nutzwertanalyse
4.1 Überblick
Für die Auswahl des ,optimalen“ Naturschutzszenarios
wurde zunachst die Nutzwertanalyse (zur Anwendung der
Methode in der Landnutzungsplanung vgl. Fürst und
scholles, 2001; Pflügner, 1991) herangezogen. Ziel ist
die Ermittlung desjenigen Szenarios, das den groβten ge-
sellschaftlichen Nutzen stiftet. Dabei resultiert der Nutzen
aus der Erfüllung von Landschaftsfunktionen (siehe Ab-
schnitt 1). Dieser Begriff umfasst nicht nur Okologische
Aufgaben (Regulationsfunktionen), sondern auch Okonomi-
sche (Produktionsfunktionen) und soziale (Lebensraum-
funktionen).
Die Nutzenfunktion lautet im einfachsten Falle
(1) U = Zi ɛi + Z2 ε2 + ... + Zn εn
mit ɛ + ɛ + ... + ɛn = 1
(additive Nutzenfunktion), wobei U den durch die Realisie-
rung des Szenarios erzeugten Gesamtnutzen, Z1 die erwar-
tete szenarienspezifische Auspragung der Landschaftsfunk-
tion 1 und ɛ den Gewichtungsfaktor bedeutet, der die ge-
sellschaftliche Praferenz für Landschaftsfunktion 1 zum
Ausdruck bringt.
Was die Auswahl der Landschaftsfunktionen betrifft, so
wurden auf der Grundlage intensiver Diskussionen unter
den Projektmitarbeitern und mit Experten folgende Funk-
tionen herausgearbeitet: 1. Boden- und Was-
serschutz, 2. naturlandschaftsbezogener Ar-
ten- und Biotopschutz, 3. kulturlandschafts-
bezogener Arten- und Biotopschutz, 4. Ein-
kommen/Arbeitsplatze aus Landwirtschaft,
5. Einkommen/Arbeitsplatze aus Tourismus,
6. Einkommen/Arbeitsplatze aus Landschafts-
pflege, 7. Produktion von Nahrungsmitteln,
8. naturlandschaftsbezogene Freizeit/Erho-
lung, 9. kulturlandschaftsbezogene Freizeit/-
Erholung, 10. ,eventbezogene“ Freizeit/Erho-
lung. Dabei umfassen die Funktionen 1 bis 3
die Okologisch orientierten (Naturschutz). Die
Funktionen 4 bis 7 kennzeichnen Wirtschafts-
kraft- und Produktionsfunktion. (Funktion 7
wurde im Sinne der ,Versorgung der BevOl-
kerung - innerhalb oder auβerhalb des Unter-
suchungsgebietes - mit Nahrungsmitteln“
verstanden.) Schlieβlich reprasentieren die
Funktionen 8 bis 10 die soziale Komponente:
Freizeit und Erholung.
Die Auspragungen der Landschaftsfunktionen lassen sich
nicht direkt bestimmen. Sie müssen mit Hilfe von Indikato-
ren operationalisiert, d.h. messbar gemacht werden. Letzte-
re wurden projektintern - teilweise in Zusammenarbeit mit
externen Experten - festgelegt und ihre szenarienspezifi-
sche Auspragung abgeschatzt. Als Beispiele seien hier
genannt:
Funktion 1: Anteil der Flachen, auf denen die Risiken für
Boden und Wasser durch entsprechende Maβnahmenbündel
minimiert werden.
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