Agrarwirtschaft 53 (2004), Heft 3
Abbildung 5. Zur Auswahl des nutzenmaximalen
Naturschutzszenarios
Anmerkung: Für die Bedeutung der Symbole vgl. Tabelle 4
und den Text
Quelle: Eigene Darstellung
Konflikt zwischen den beiden Landschaftsfunktionen. Hier-
zu tragt die Tatsache bei, dass durch die Flachenumwid-
mung die Einkommen und Arbeitsplatze der Landwirtschaft
stark betroffen werden, wahrend Einkommenszuwachse aus
der Landschaftspflege nicht entstehen. (Negativ wirkt sich
auch der rücklaufige Beitrag der Landnutzung zur Bereit-
stellung von Nahrungsmitteln aus.)
4.2.2 Cobb-Douglas-Nutzenfunktion
Es stellt sich die Frage, wie sich die Ergebnisse andern,
wenn man von der - realistischeren - Annahme abnehmen-
der Grenznutzen der Funktionserfüllung ausgeht. Zu diesem
Zweck wurde alternativ mit einer Cobb-Douglas-Nutzen-
funktion
(2) U = Z1 ɛ1
ɛ ε2 .
Z2
.... Z
ɛn
n
mit ε1 + ε2 + ... + εn = 1
gerechnet. Hierbei ergab sich für die Berechnung des Status
Quo das Problem, dass der rechnerische Gesamtnutzen Null
betragt, weil in diesem Szenario einige Auspragungen von
Landschaftsfunktionen (z.B. Einkommen/Arbeitsplatze aus
Landschaftspflege) Null betragen.
Das Ergebnis ist in Abbildung 4 wiedergegeben (graue Bal-
ken). Es entspricht weitgehend dem aus der additiven Nut-
zenfunktion.
5. Entscheidungsmodell (II):
Conjoint-Analyse
Erganzend zur vorangegangenen Nutzwertanalyse wird
derzeit eine Conjoint-Analyse (CA) durchgeführt, die eben-
falls der Entscheidungsvorbereitung bei der Auswahl des
„optimalen“ Naturschutzszenarios dienen soll. Die CA ist
ein Verfahren zur Modellierung von Praferenzstrukturen,
das im Gegensatz zur Nutzwertanalyse auf Basis empirisch
erhobener Gesamtpraferenzurteile versucht, den Beitrag
einzelner Eigenschaften (hier: Landschaftsfunktionen) zum
Gesamtnutzen (hier: eines Szenarios) zu ermitteln. In der
Nutzwertanalyse auβerten die Befragten ihre Praferenzen
bezüglich der einzelnen Landschaftsfunktionen separat und
isoliert von dem Gesamtzusammenhang, der in den entwi-
ckelten Naturschutzszenarien impliziert ist. Mit den daraus
resultierenden Teilpraferenzwerten (Gewichtungsfaktoren)
wurden anschlieβend die Voraussichtlich eintretenden Aus-
pragungen der Landschaftsfunktionen bewertet und unter
Verwendung einer Verknüpfungsregel (lineare Nutzen-
funktion, Cobb-Douglas-Funktion) zu Gesamtnutzenwerten
der Szenarien verdichtet bzw. „komponiert“ („kompositio-
nelles“ Verfahren). Die Gewichtung der einzelnen Land-
schaftsfunktionen - z.B. Verteilung von 100-Prozent-
punkten auf die jeweiligen Auspragungen - bereitete den
Befragten gewisse Schwierigkeiten.
Den entgegengesetzten Weg geht die CA, indem durch
ganzheitliche Gesamtpraferenzurteile über - im vorliegen-
den Falle fiktive - Naturschutzszenarien auf die Teilprafe-
renzen (für die einzelnen Landschaftsfunktionen) geschlos-
sen wird („dekompositionelles“ Verfahren). Damit erhalt
man realitatsnahere Entscheidungen, da die Befragten zur
Bewertung der Naturschutzszenarien als Ganzes aufgefor-
dert werden. Durch die Bildung eines Gesamturteils ver-
meidet man zudem, dass als gering nutzenstiftend wahrge-
nommene Eigenschaften überproportional bewertet werden.
Im Mittelpunkt der vorgesehenen Adaptiven Conjoint-
Analyse (ACA) stehen Paarvergleiche von Naturschutzsze-
narien, die der Befragte anhand von Teilprofilen gegenein-
ander abwagen muss. Damit wird dem verhaltenspsycholo-
gischen Umstand Rechnung getragen, dass menschliches
Bewerten meist auf Paarvergleiche ausgerichtet ist.
Die Bestimmung geeigneter Landschaftsfunktionen nimmt
zweifelsohne eine Schlüsselrolle in der CA ein. Schlieβlich
müssen die ausgewahlten Landschaftsfunktionen die zu
bewertenden Naturschutzszenarien in Bezug auf Relevanz
und Maβgeblichkeit hinreichend reprasentieren. In der
Nutzwertanalyse wurden die Landschaftsfunktionen im
engeren Kreise der Projektmitarbeiter synthetisiert, ohne
dass hierbei die Relevanz für die zu Befragenden vorher
überprüft worden ware. Die Beurteilung von Landschafts-
funktionen, die den Befragten realitatsfern (z.B. „eventbe-
zogene Freizeit/Erholung“, s.o.) oder missverstandlich (z.B.
„Produktion von Nahrungsmitteln“) erschienen, haben
moglicherweise zu Verfalschten Ergebnissen geführt.
Zur Vermeidung dieser Probleme gibt es mehrere Techni-
ken, die gemeinhin die Identifikation potenziell releVanter
Eigenschaften zum Ziel haben, wie z.B. Gruppendiskussio-
nen, Elicitations- oder KreatiVitatstechniken (z.B. Meta-
plan-Technik) (Vgl. hierzu Reiners, 1996: 36ff.). Ein be-
sonders effektiVes Verfahren stellt die - ursprünglich aus
der Psychologie stammende - Repertory Grid-Technik3 dar.
3 Diese Technik basiert auf der „Theorie der personlichen Kon-
strukte“, die Von KELLY in den fünfziger Jahren Vorgestellt
wurde (Kelly, 1955). Kellys Ansatz geht daVon aus, dass
Menschen in ihrer Interpretation Von Ereignissen und Erleb-
nissen der realen Welt wie Wissenschaftler Vorgehen. Dabei
werden Hypothesen aufgestellt, in der Realitat überprüft und
im Erfolgsfall beibehalten. Indem jeder Einzelne Versucht, die
Welt zu antizipieren, konstruiert er sich seine eigene Realitat.
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