Wettbewerbs- und Industriepolitik - EU-Integration als Dritter Weg?



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Alfred Schüller

schen Aufrüstung der EU aus der Welt geschafft werden. Auch die Praxis der bishe-
rigen Industriepolitik in der EU spricht nicht für deren Ausweitung. Hierzu sei ver-
wiesen auf die verlustreichen Erfahrungen mit der Staatlichen Forderung der Kohle-
und Stahlindustrie, der staatlichen Entwicklung der Concorde und der Computerin-
dustrie in Frankreich, mit der industrie- und handelspolitischen Begünstigung der
Automobilindustrie (etwa in Groβbritannien vor zwei Jahrzehnten28) und mit der
staatlichen Forderung des Airbus. Damit hat zwar Boeing einen Konkurrenten be-
kommen, allerdings auf Kosten des Ausscheidens von McDonnel-Douglas. Die Ab-
nehmer stehen nach wie vor einem Angebotsduopol gegenüber.

6.3. Das Subsidiaritatsprinzip als Korrektiv?

Die Auslegung des Subsidiaritatsprinzips hangt von der Vorherrschenden Integrati-
onsmethode ab. In diesem ordnungsokonomischen Kontext (siehe
Schüller 1997, S. 69
ff.) wird deutlich, daβ sich die Verschiedenen Aspekte der Subsidiaritat und deren Ver-
haltnis zueinander im Wandel der Wirtschaftlichen Gesamtordnungen andern. Aus die-
sem Blickwinkel dürfte - bezogen auf die EU - fur die Reichweite des Subsidiaritats-
prinzips entscheidend sein, ob und wie weitgehend die Standortkonkurrenz im Wettbe-
werb der Regionen und Ordnungen fur die Schaffung, Nutzung und standige Erneue-
rung der Wissensgrundlagen der EU bestimmend bleibt. Dem liegt die Annahme
zugrunde, daβ es hierdurch zu Angleichungen kommt, ohne daβ es einer Ubergeordneten
Entscheidungsinstanz bedarf. Wenn etwa bestimmte Mitgliedstaaten regulierungswutig
sind, zur sozial- und leistungsstaatlichen Überdimensionierung und zu groβzugigen
Umverteilungsprogrammen neigen, finanziert durch Steuern und Transferzahlungen,
wird es uber kurz oder lang zur Abwanderung von Produktionsstatten kommen. Um
dies zu verhindern, mussen die nationalen Regierungen innenpolitisch darauf reagieren,
also entscheiden, ob berufsrechtliche, branchenrechtliche, arbeits- und tarifrechtliche,
beihilferechtliche, steuerrechtliche und umweltrechtliche Regelungen im Heimatland
der Revision bedurfen.

Das Subsidiaritatsverstandnis, das teilweise im Katalog der Kriterien von Kopenha-
gener zum Ausdruck kommt, kann die Mitgliedschaft der MOE-Lander von vornherein
erschweren, ihr Selbsterneuerungspotential schwachen. Es besteht die Gefahr, daβ der
Transformationsprozeβ ordnungspolitisch auf einer Schmalspur angelegt wird. Wie
kann, so ist zu fragen, den neuen Demokratien in Ostmitteleuropa zugemutet werden,
den gesamten Rechtsapparat der EU mit einer kaum zu uberbietenden Regelungsdichte
zu ubernehmen, wenn viele etablierte Mitgliedslander legale oder faktische Ausnahmen
machen konnen und alle Mitgliedslander verschieden groβe Ermessensspielraume zur
Umsetzung der gemeinsamen Rechtsbestimmungen im nationalen Recht beanspruchen
- wie in jungerer Zeit das Verhalten Deutschlands und Frankreichs gegenuber den Kon-
vergenzkriterien zeigt?

Schon in den EU-15-Landern hat sich gezeigt, daβ die Union nicht einen optimalen
Raum fur eine umfassende Ex ante-Harmonisierung des Rechts auf dem Gebiet der
Wirtschafts- und Sozialpolitik darstellt. Um so mehr durften aufholende Lander mit

28 Siehe Neue Zurcher Zeitung (NZZ), Nr. 84 vom 12. April 2005, S. 13.



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