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Alfred Schüller
6. Zusammenfassung und Folgerungen
6.1. Industriepolitik und Standortwettbewerb
Hauptproblem der Mitgliedslander, die - wie Frankreich, Deutschland und Italien -
ordnungspolitisch auch zu Hause einer Variante des Dritten Weges folgen, ist ein Ver-
standnis des Sozialen und der Sozialpolitik, das in wesentlichen Grundlagen nicht als
Teil der Wirtschaftsverfassung des Wettbewerbs auf offenen Markten gestaltet wird und
deshalb einer wünschenswerten Gleichrichtung der Sphare der sozialen Sicherung mit
der Produktionssphare widerstrebt (zur Problematik Dritter Wege siehe Schüller 2000,
S. 169 ff.).26
Die wachstums- und beschaftigungspolitische Problematik der Industriepolitik be-
steht aber gerade in dem Versuch der daran besonders Interessierten, mit Blick auf das
Ziel des ,,Einheitlichen Marktes“ den bereichsübergreifenden Einfluβ des Standortwett-
bewerbs in der EU durch eine beschleunigte Politik der Ex ante-Harmonisierung zu-
rückzudrangen - meist aus arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gründen.
Wenn es Argumente für eine industriepolitische Erganzung der Wettbewerbspolitik
geben sollte, dann ware es im Interesse der Ziele der Lissabon-Strategie, ganz besonders
auch aus Sicht der wirtschaftlich aufholenden Staaten, ratsam, sich soweit wie moglich
des Wettbewerbsverfahrens zu bedienen. Das spricht gegen supranationale Gemein-
schaftsaktionen und für die Einbeziehung industriepolitischer Maβnahmen in den offe-
nen Standortwettbewerb der Mitgliedslander und ihrer Regionen. Die Vorzüge liegen
auf der Hand:
- Entsprechende Projekte sind direkt aus nationalen Haushaltsmitteln zu bestreiten.
Das dürfte die Begehrlichkeit einschranken. Die Kosten von Fehlentscheidungen
konnen nicht an andere Lander weitergegeben werden, wodurch die Verantwort-
lichkeit verdünnt wird.
- Projekte im Zusammenwirken verschiedener Lander und Regionen werden nach
den jeweiligen eigenstaatlichen Interessen und Einschatzungen entschieden, sie
bleiben dabei eher einer sachbezogenen Kontrolle, auch durch die Wahler als Steu-
erzahler, unterworfen.
- Die Projekte stehen weniger in der Gefahr, von bürokratischen Eigeninteressen der
EU-Kommission an einer Aufgabenperpetuierung und -expansion überfremdet zu
dienen.
- Die Aktionen konnen insgesamt leichter auch wieder eingeschrankt und eingestellt
werden.
Eine Industriepolitik nach dem Prinzip des Naher-Daran und der Haftung für Fehl-
planungen erfordert eine entschiedene Regionalisierung der Steuererhebungskompeten-
zen mit dem Verzicht auf eine Steuererhebungshoheit für Brüssel und auf einen wett-
bewerbswidrigen Finanzausgleich zwischen den Regionen. Auf dieser Grundlage konn-
26 Tatsachlich besteht in vielen EU-Landern zwischen dem wettbewerblichen Marktsystem und
der Sozialpolitik eine hohe Mauer, auf die wahrscheinlich die Hauptprobleme zurückzufüh-
ren sind, die mit der Lissabon-Strategie beseitigt werden sollen.