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Sozialhilfe konnte gezeigt werden, dass Sozialhilfeverlaufe haufig nur von kurzer Dauer
sind und Langzeitbezug von geringerer Bedeutung ist, als haufig angenommen. Nach
Auswertung von biographischen Interviews mit Sozialhilfebeziehenden und ehemals
Beziehenden musste auch die Vorstellung eingleisiger Abstiegskarrieren revidiert werden.
Die Betroffenen bleiben auch bei langerem Sozialhilfebezug handlungsfahig (Buhr 1995,
insb. Kapitel 6 und 7; Ludwig 1996).
Nach den Ergebnissen der Bremer Langsschnittstudie waren die Halfte der Neuzugange des
Jahres 1989 nach langstens einem Jahr wieder aus der Sozialhilfe ausgeschieden und
innerhalb des Beobachtungszeitraums von fünf Jahren nicht erneut als Hilfebezieher in
Erscheinung getreten. Gut ein Fünftel (21 Prozent) der Neuzugange bezog zwischen einem
und drei Jahren Sozialhilfe, 13 Prozent zwischen drei und fünf Jahren und 16 Prozent langer
als fünf Jahre (Buhr/Weber 1996; Buhr 1998; Leisering/Leibfried 1999)10.
Auch in anderen Studien mit anderen Datensatzen und in anderen Stadten wurde ein hohes
Ausmaβ von Dynamik und ein hoher Anteil kurzfristiger Bezüge im Bereich der Sozialhilfe
festgestellt. Hier sind insbesondere zu nennen Analysen mit dem Soziookonomischen Panel
(Voges/Rohwer 1991; Vobruba 2001a: 11, Daten für 1991-1996), der Bielefelder
Datenbank Sozialhilfe (Andreβ 1994; Golsch 2000, 2001) und der Halleschen
Langsschnittstichprobe von Sozialhilfeakten (Rentzsch/Buhr 1996; Olk/Rentzsch 1997)
sowie die Sozialhilfe-Studien von Stadtallendorf (Hagen/Hock 1996) und Groβ-Gerau
(Hilkert 1999) oder jüngst aus Wiesbaden (Brennecke u.a. 2001a, b).11
10 Diese Angaben beziehen sich auf die Bruttodauer, d.h. die Gesamtdauer einschlieβlich
Unterbrechungen. Hierbei ist die strukturelle Zusammensetzung der Bremer Zugangskohorte zu
berücksichtigen: Fast die Halfte der Neuzugange 1989 waren Aus- und Übersiedler und
Asylbewerber, die nur relativ kurze Zeit Sozialhilfe bezogen, bis sie Arbeitslosengeld erhielten
oder in andere Bundeslander umverteilt wurden. Bezieht man die Analysen lediglich auf die
ansassigen Deutschen und seit langerem in Deutschland lebenden Auslander, so ergaben sich
folgende Ergebnisse: 41 Prozent der Neuzugange bezogen bis zu einem Jahr Sozialhilfe, 21
Prozent zwischen einem und drei Jahren, 17 Prozent zwischen drei und fünf Jahren und 22 Prozent
langer als fünf Jahre. Eine weitere Auffalligkeit der Bremer Zugangskohorte, die eng mit dem
hohen Anteil von Aussiedlern zusammenhangt, ist der hohe Anteil (44 Prozent) von sog.
"Wartefallen", die nur deshalb Sozialhilfe beziehen, weil sie auf die Zahlung von vorrangigen
sozialstaatlichen Leistungen, insbesondere Arbeitslosengeld, warten. Von den Aussiedlern waren
94 Prozent "Wartefalle", bei den Ansassigen waren es 31 Prozent. Schlieβt man diese "Wartefalle"
aus den Analysen aus, betragt der Anteil der Kurzzeitbezieher mit unter einjahriger Dauer immer
noch 44 Prozent bezogen auf alle Antragsteller und 37 Prozent bezogen auf die Ansassigen.
11 In diesen Studien wurden zum Teil niedrigere Anteile von Kurzzeitbeziehern und hohere Anteile
von Beziehern mit mittlerer Dauer als in der Bremer Studie festgestellt. So ergaben Analysen auf
der Basis der Bielefelder Datenbank "Sozialhilfestatistik", dass etwa ein Drittel der
Antragskohorte 1989 nach einem Jahr den Bezug beendet hatten, 40 Prozent standen ein bis drei
Jahre und 26 Prozent langer als drei Jahre im Bezug (Bruttodauer) (Golsch 1999, 2001). Der
geringere Anteil von Kurzzeitbeziehern gegenüber Bremen dürfte zum groβen Teil darauf
zurückzuführen sein, dass in der Bielefelder Datenbank Kurzzeitbezieher unterreprasentiert sind,
da Falle, bei denen von vornherein mit einer kurzen Dauer zu rechnen ist, z.B. sog.
"Überbrücker", die auf die Auszahlung anderer Sozialleistungen warten, nicht in das EDV-