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Lassen sich darüber hinaus Aussagen darüber treffen, wie sich die Bezugsdauer im
Zeitverlauf entwickelt hat? In den 1980er Jahren scheint die Bezugsdauer eher ab- denn
zugenommen zu haben. So hat sich nach den Ergebnissen der Bremer Langsschnittstudie die
mittlere Bezugsdauer von der Zugangskohorte 1983 zur Zugangskohorte 1989 nicht erhoht
(Buhr/Weber 1996: 15). In der Bielefelder Studie stieg der Anteil der Kurzzeitbezieher von
18 Prozent in der Zugangskohorte 1983 auf knapp 34 Prozent in der Zugangskohorte 1989
(Golsch 2001: 77).
In Ostdeutschland konnte für die Zugangskohorten 1990 bis 1993 auf Grundlage der ersten
Sozialhilfeepisode und der Nettodauer eine Zunahme der Kurzzeitbezieher beobachtet
werden. Dahingegen ging der Anteil derjenigen, die den Sozialhilfebezug innerhalb eines
Jahres vollstandig abschlossen hatten, von 54 Prozent auf 49 Prozent zurück. Eine ahnliche
Entwicklung ergab sich bei den mittleren Verweildauern. In den neuen Bundeslandern (d.h.
in Halle) scheinen Sozialhilfeverlaufe auβerdem diskontinuierlicher zu werden. Denn auch
der Anteil der Falle mit zwei und mehr Episoden nahm zu. Auch die langere Bruttodauer
deutet darauf hin, dass es Hilfebeziehern schwerer fallt, die Sozialhilfe dauerhaft zu
verlassen (Rentzsch 2000: 4ff.).
Diese Ergebnisse, die auf einem Beobachtungsfenster von fünf Jahren beruhen, konnten
durch eine Langzeitbeobachtung erganzt werden. Die Verlangerung der
Beobachtungsperiode von fünf auf neun Jahre lieβ den Anteil der Kurzzeitbezieher
(Bruttokonzept) von 50 Prozent auf 37 Prozent schrumpfen. Ein Teil der Haushalte, die in
der Fünfjahresbeobachtung den Kurzzeitbeziehern zugerechnet wurden, wurde nach Ende
des kürzeren Beobachtungszeitraums wieder sozialhilfebedürftig, konnte also in dieser Zeit
nicht die Voraussetzungen schaffen, um von staatlichen Mindestsicherungsleistungen
dauerhaft unabhangig zu werden. Etwa 40 Prozent der Zugangskohorte 1991 erhielten fünf
Jahre nach dem Erstbezug noch Sozialhilfeleistungen und nahezu jeder Vierte konnte in
einem extrem langen Zeitraum von acht Jahren die Sozialhilfe nicht dauerhaft verlassen,
wobei für gut 15 Prozent die Sozialhilfeabhangigkeit auch nach neun Jahren noch nicht
beendet war (ebd.: 23).
Wie sieht nun die Lage in Gesamtdeutschland in den 1990er Jahren aus? Hier liegen nur
Querschnittsmessungen vor. Nach der amtlichen Sozialhilfestatistik hat sich die
gestützte Zahlbarmachungsverfahren übernommen werden, auf dem die Bielefelder Datenbank
beruht. Zudem sind im Bielefelder Datensatz keine "Wartefalle" enthalten, da in diesen Fallen das
Arbeitsamt aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit dem Sozialamt grundsatzlich
Vorabschlage zahlt. SchlieBlich konnen Aus- und Übersiedler nicht identifiziert werden (zu den
Besonderheiten und Beschrankungen des Bielefelder Datensatzes vgl. Golsch 1999: 48 ff.).
Relativ niedrige Anteile von Kurzzeitbeziehern bezogen auf die Bruttodauer wurden auch in
Wiesbaden auf der Basis eines Verlaufsdatensatzes von 12/96 bis 12/00 für Hilfebeziehende im
Alter von 18 bis 65 Jahren geschatzt: Rund 20 Prozent aller HLU-Empfanger zwischen 18 und 65
Jahren beenden den Bezug innerhalb eines Jahres, 35 Prozent innerhalb von zwei Jahren
(Brennecke u.a. 2001b: 27).