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Ursachen hierfür sind die schlechte Ressourcenausstattung der entsprechenden
Wohngebiete, das Erlernen hemmender Handlungsmuster sowie Stigmatisierung. Für
Bielefeld konnten solche Einflüsse dagegen nicht nachgewiesen werden.
Der Einfluss institutioneller Faktoren, etwa Hohe der Sozialhilfe, Qualitat der Beratung,
unterschiedliche Regelungen im Hinblick auf die Anrechnung von Einkommen,
Arbeitspflicht oder Heranziehung von Unterhaltspflichtigen ist bislang kaum systematisch
untersucht worden. Jacobs und Ringbeck (1994: 138 f.) fanden heraus, dass institutionelle
Praktiken (z.B. Beratung, Hinweise auf andere Hilfemoglichkeiten) verglichen mit anderen
Faktoren keinen Einfluss auf die Bezugsdauer ausübten. Analysen mit der Bremer und der
Hallenser Langsschnittstichprobe ergaben, dass von der Hohe der Sozialhilfe keine
negativen Arbeitsanreize ausgehen, da sich der geringe Lohnabstand bei kinderreichen
Haushalten nicht negativ auf das Arbeitsaufnahmeverhalten auswirkte (Buhr u.a. 1998;
Gangl 1998).13
Unterstützt werden diese Beobachtungen dadurch, dass lokale und qualitative Studien zu
dem Ergebnis kommen, dass Arbeitslose und Sozialhilfebeziehende in der Regel eine hohe
Arbeitsmotivation und -bereitschaft haben und aktiv nach Arbeit suchen oder bereit sind,
schlecht bezahlte Stellen anzunehmen, um wieder einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu
finden (Trube 1997: 322; Kieselbach u.a. 1998: 216; Vobruba 2001a, b). Untersuchungen
zum Einstiegsgeld Baden-Württemberg zeigten, dass nahezu alle Personen, die über
finanzielle Anreize in Arbeit vermittelt wurden, auch nachdem die Zuschüsse entfielen,
weiter einer Erwerbstatigkeit nachgingen (Dann u.a. 2001). Auch die Analysen mit dem
Niedrigeinkommenspanel weisen in groβem Umfang eigene Bemühungen der Arbeitslosen
nach (Kortmann/Sopp 2001: 61ff.). Qualitative Ergebnisse der Bremer Langsschnittstudie
belegen, dass viele Betroffene aktive Versuche unternehmen, der Sozialhilfe zu entkommen
13 Vgl. AndreB und Strengmann-Kuhn (1997: 523), die ebenfalls feststellten, dass staatliche
Transfers die Arbeitsangebotsentscheidungen im unteren Einkommensbereich nicht nachhaltig
negativ beeinflussen. Zur Diskussion um die Arbeitsanreize in der Sozialhilfe vgl. auch Vobruba
(2001a, b). Obendrein sprechen internationale Vergleiche dagegen, dass die Hohe der
Sozialhilfesatze sich negativ auf die Dauer und die Arbeitsbereitschaft auswirkt. Wenn es stimmt,
dass die Sozialhilfe dazu verleitet, sich im sozialen Netz auszuruhen, würde man erwarten, dass
Sozialhilfebezug in Deutschland langer dauert als in den USA, wo die Sozialhilfesatze niedriger
bemessen und die Sozialhilfepraxis rigider ist. Aber, so das Ergebnis einer vergleichenden Studie,
die sich allerdings auf die Zeit vor der Reform der Sozialhilfe in den USA von 1996 bezieht (vgl.
dazu Backhaus-Maul 1999): Deutsche Sozialhilfebeziehende stehen nicht langer im Bezug als
amerikanische (Duncan/Voges 1993). Dies spricht eher dagegen, dass institutionelle Faktoren,
etwa die Hohe der Sozialhilfe, einen durchschlagenden Einfluss auf die Dauer des Bezugs haben.
Auch britische Studien kommen zu dem Schluss, dass die Sozialhilfe bei der Bildung eines "wage
floors" eine untergeordnete Rolle spielt: Nur 20 Prozent der Sozialhilfebeziehenden
berücksichtigten bei der Bestimmung ihres Anspruchslohns staatliche Transferleistungen.
Überdies nahmen 44 Prozent der Abganger aus Sozialhilfe Arbeitsplatze an, deren Bezahlung
unter ihrem "Anspruchslohn" lag (Walker 2001). Zu Unterschieden in der institutionellen
Ausgestaltung der Sozialhilfe im internationalen Vergleich vgl. allgemein Eardley u.a.(1996) und
Buhr (1999).