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(Bundesgesetz betreffend die Abanderung von Bestimmungen über die fiskalische Belastung von
Tabak im AHV-Gesetz) hatten alle Vorlagen eine betrachtliche materielle Wirkung auf die Sozial-
politik. Die Annahmequote von 48% entspricht dabei fast exakt dem generellen Trend. Differenziert
nach der Wirkung der Vorlagen wurden fast zwei Drittel aller expansiven sozialpolitischen Vorla-
gen vom Souveran verworfen, darunter die Erstgesetze zur Regelung der Kranken- und Unfallver-
sicherung (1900) sowie zur Rentenversicherung (1931), wahrend alle deregulativen Vorlagen ge-
scheitert sind (Tabelle 2).
Tabelle 2: Wirkung der fakultativen Referenden
Wirkung der Vorlage |
Insgesamt |
Angenommen |
Verworfen |
Annahmequote | |
1. Ebene |
Restriktiv |
0 |
0 |
0 |
- |
Expansiv |
8 |
3 |
5 |
37,5% | |
Expansiv und Restriktiv |
5 |
5 |
0 |
100% | |
2. Ebene |
Deregulativ |
4 |
0 |
4 |
0% |
Regulativ |
2 |
1 |
1 |
50% | |
Protektiv |
6 |
3 |
3 |
50,0% | |
Σ 25 |
Σ 12 |
Σ 13 |
48,0% |
Anmerkung: Es gab keine explizit redistributiven und restriktiven Maβnahmen, jedoch Vorlagen, die sowohl
expansiv als auch restriktiv wirkten.
Tabelle 3 zeigt, daβ samtliche Referenden gegen sozialstaatsexpansive, protektive sowie regulative
Vorlagen von politisch rechtsgerichteten Gruppen, Interessenorganisationen der Arbeitgeber und
Bauern sowie ad-hoc Gruppen (z.B. Krankenkassen) ergriffen wurden.
Andererseits ist das Referendum auch eine machtige Waffe zur Verteidigung des Status quo sozia-
ler Sicherung gegenüber Versuchen der Zurückdrangung des Sozialstaates. Samtliche Referenden
gegen deregulative sozialpolitische Vorlagen waren erfolgreich. Dies gilt bereits für die beiden re-
striktiven Gesetzesvorlagen in der Zwischenkriegszeit (Reform des Art. 41 des Fabrikgesetzes
1924 bzw. für das Bundesgesetz zur Herabsetzung der Besoldung des Bundespersonals 1933) als
auch für aktuelle Versuche zur Implementierung neoliberaler Spar- und Deregulierungspolitik
(Arbeitsgesetz 1996 bzw. Bundesbeschluβ über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung
1997). Dabei sind es bezeichnenderweise die politische Linke und Arbeitnehmerverbande, die ge-
gen eine sozialstaatliche Konsolidierungspolitik das Referendum ergreifen.