Der Einfluß der Direktdemokratie auf die Sozialpolitik



17

Tabelle 3: Initianten der fakultativen Referenden

Wirkung der Vorlage

Insgesamt

Links/ Arbeit-
nehmerinteressen

Rechts/ Wirt-
schaftsinteressen

Restriktiv

0

0

0

Expansiv

8

0

8

Expansiv und Restriktiv

5

4

1

Deregulativ

4

4

0

Regulativ

2

0

2

Protektiv

6

0

6

Σ 25

Σ 8

Σ 17

Anmerkung: Links bzw. Arbeitnehmerinteressen = SPS (Sozialdemokratische Partei der Schweiz), PdA (Partei
der Arbeit), SGB (Schweizerischer Gewerkschaftsbund), CNG (Christlich-Nationaler Gewerkschaftsbund).
Rechts bzw. Wirtschaftsinteressen = FDP (Freisinnig-demokratische Partei), SVP (Schweizerische Volkspar-
tei), CVP (Christlich-demokratische Volkspartei), Arbeitgeber- und Bauemverbande, Krankenkassen, Bau-
meister- und Gewerbeverband, Zentralverband der schweizerischen Hauseigentümer.

Groβe Durchsetzungschancen besitzen hingegen Vorlagen mit sowohl restriktiver als auch expansi-
ver Wirkung, da das Risiko des Scheiterns insofern gestreut wird, als Kosten und Nutzen auf Sozi-
alstaatsbefürworter und Sozialstaatsskeptiker verteilt werden (Bonoli 1997, 1998). Solche breit
akkordierten Vorlagen, die den vielfaltigen Interessen der schweizerischen Konkordanzdemokratie
Rechnung tragen müssen, bündeln expansive und protektive Maβnahmen mit selektiv restriktiven
oder deregulativen Maβnahmen. Ein klassisches Beispiel fur dieses Politikmuster ist das Arbeitsge-
setz, das binnen zwei Jahren zweimal zur Abstimmung unterbreitet wurde. Nachdem 1996 der
Erstentwurf, welcher vornehmlich auf Deregulierung und Flexibilisierung im Arbeitsrecht ohne
sozialpolitische Kompensationen fur die Arbeitnehmer abzielte, vom Volk mit groβer Mehrheit
verworfen worden war, wurde die konkordanzdemokratische und sozialpartnerschaftliche Verhand-
lungsmaschinerie aktiviert, um eine ausgewogene Kompromiβlosung zu erzielen: "Im nun vorlie-
genden Gesetz sind jene Regelungen korrigiert, die gemaβ den Abstimmungsanalysen zum Schei-
tern der ersten Vorlage gefuhrt haben" (NZZ 16.10.1998, No. 240: 13). Konkret verzichtete dieser
Zweitentwurf auf die bewilligungsfreie Arbeit an sechs Sonntagen, reduzierte die bewilligungsfrei-
en Überstunden von maximal 260 auf 170 und sah Zeitzuschlage von 10 Prozent fur regelmaβige
Nachtarbeit vor. Die groβen Gewerkschaften signalisierten angesichts dieser Zugestandnisse und
anderer sozialpolitischer Schutzbestimmungen ebenso Zustimmung wie die Arbeitgeberverbande,
die sich mit der erzielten Flexibilisierung zufrieden gaben. Ebenso unterstutzten alle groβen Partei-
en diesen Kompromiβ, gegen den allerdings von der Gewerkschaft Druck und Papier sowie mehre-
ren Arbeitslosenkomitees das Referendum ergriffen wurde. Angesichts des breit akkordierten
Zweitentwurfs des Arbeitsgesetzes (alle groβen Parteien und Verbande gaben die Ja-Parole aus)
wurde dieser Kompromiβ in der Volksabstimmung vom 29.11.1998 mit einer breiten Mehrheit vom
Volk abgesegnet. Nur über solche austarierte Kompromiβlosungen konnen in der Schweiz groβere
sozialpolitische Kursanderungen auf den Weg gebracht werden. Tatsachlich wurde keine derart
konzipierte Vorlage an der Stimmurne ausgehebelt. Daraus wird deutlich, daβ durch das Referen-
dum ein kurzfristiger und dramatischer Politikwechsel relativ unwahrscheinlich wird. Vielmehr



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