Der Einfluß der Direktdemokratie auf die Sozialpolitik



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nommen wurde. Die Erfolgsquote ist mit 16,6% eindeutig unterdurchschnittlich, was mit der Radi-
kalitat der meisten protektiven Vorlagen in Zusammenhang steht.

Der Status quo Effekt kann auch in Kalifornien nachgewiesen werden. Umfragen belegen, daβ un-
sichere Wahler dazu neigen, mit Nein zu stimmen. Je nach Komplexitat kann daraus ein 10 bis 20
Prozent-Vorteil für die Opponenten einer Initiative resultieren (Shultz 1996: 7). Dieser strukturelle
Vorteil des Ist-Zustandes resultiert daraus, daβ die Befhrworter einer Initiative die Wahler aktiv
überzeugen müssen, wahrend die Gegner durch eine Verwirrungsstrategie die Vorlage torpedieren
konnen. Hinzu kommen die angesprochenen anderen Erklarungen fhr den Status quo Bias, wie
Transaktionskosten, risikoaverses Verhalten und die psychologische Bindung an getroffene Ent-
scheidungen. Der Status quo Bias kann durch das taktische Verhalten der Opponenten einer Initiati-
ve erhoht werden, denn je mehr Vorlagen auf dem Wahlzettel plaziert werden, desto geringer ist die
Wahrscheinlichkeit, daβ die Vorlage angenommen wird. Diese Politik der Verwirrung kann taktisch
motiviert sein, wie 1990, als mehrere Steuer- und Umweltschutzmaβnahmen zur Abstimmung
standen (Propositionen 128, 130 und 134). Brauereien (es ging unter anderem um eine Alkohol-
steuer), Chemie- und Olindustrie schafften es, konkurrierende Vorlagen (Propositionen 126, 135
und 138) auf den Wahlzettel zu bringen (Shultz 1996: 83). Da die Wahler nicht zwischen den Vor-
lagen unterscheiden konnten, wurden die progressiven Maβnahmen abgelehnt. Insgesamt gab es 27
Vorlagen bei dieser Abstimmung, von denen 23 abgelehnt wurden. Der Status quo Bias wirkt aber
nicht nur gegen expansive Maβnahmen. Ein Beispiel ist Proposition 1 vom November 1938, bei
dem das Streikrecht eingeschrankt werden sollte, was von den Abstimmenden deutlich (58% Nein-
Stimmen) abgelehnt wurde.

Einen weiteren Einfluβfaktor für die Erfolgshaufigkeit stellt die Position der Maβnahme auf dem
Wahlzettel dar. Je weiter oben eine Vorlage plaziert ist, desto groβer ist die Wahrscheinlichkeit fhr
ihre Annahme: die Korrelation zwischen der Plazierung auf dem Stimmzettel und der korrespondie-
renden durchschnittlichen Erfolgsquote betragt r
s = -0,78. Dieser Effekt kommt zustande, weil in
Kalifornien in der Regel nur alle 2 Jahre hber eine Vielzahl von Vorlagen direkt abgestimmt wird,
wahrend in der Schweiz 3 bis 4 mal jahrlich abgestimmt wird. 1914 wurden den Wahlern gar 48
Vorlagen bei einer Abstimmung vorgelegt, so daβ im Durchschnitt, neben den gleichzeitigen Wah-
len, dem Wahler 13 verschiedene Vorlagen pro Wahlgang vorgelegt werden. Allerdings ist diese
starke Korrelation auch darauf zurhckzufhhren, daβ die obligatorischen Verfassungsreferenden, die
eher am Anfang des Stimmzettels stehen, generell eine hohere Erfolgsquote und Akzeptanz aufwei-
sen (Glaser 1997: 151).

Die Klassifikation der Initiativen und fakultativen Referenden entlang eines dichotomen Links-
Rechts-Schemas (progressiv versus konservativ) ist nicht unproblematisch, zumal sich einige Vor-
lagen nicht eindeutig zuordnen lassen oder quer zum Links-Rechts Kontinuum liegen. Betrachtet
man alle fiskalischen und sozialpolitischen Vorlagen simultan, so werden mehr progressive Vorla-
gen zur Abstimmung gestellt (61,6%:38,4%). Hinsichtlich der Erfolgsquote der eindeutig zu klas-
sifizierenden Vorlagen sind jedoch nur geringe Unterschiede auszumachen. Diese betragt bei pro-
gressiven Abstimmungen 29,0% und liegt bei konservativen Vorlagen mit 36,2% nur etwas hoher.



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