licyfeldes Sozialpolitik zu kurz kommen würde. Haushaltspolitische direktdemokratische Entschei-
dungen sind zudem insofern auch für die Sozialpolitik relevant, als sie oftmals eine sozialpolitische
Stoβrichtung besitzen.
Dieser Aufsatz gliedert sich in sechs Abschnitte. Zunachst werden Modelle der Public Choice Lite-
ratur vorgestellt und im Hinblick auf ihre Tauglichkeit zur Beantwortung der Fragestellung dieses
Beitrags geprüft. Anschlieβend wird die Arbeitshypothese vorgestellt und mit einer Reihe von theo-
retischen Argumenten untermauert. Der dritte Abschnitt stellt das Analyseraster vor, welches dem
empirischen Teil der Arbeit zugrunde liegt. Die beiden folgenden Hauptteile analysieren in getrenn-
ten Fallstudien die Auswirkungen der Direktdemokatie auf die Sozialpolitik in der Schweiz und
Kalifornien. Der letzte Abschnitt faβt grundlegende Ergebnisse zusammen.
2. Theoretische Überlegungen zum Niveau der Staatstatigkeit in der di-
rekten und der reprasentativen Demokratie
Für die Hypothese einer expansiven Einfluβwirkung der direkten Demokratie auf die Staatstatigkeit
spricht zunachst folgendes Gedankenexperiment. Geht man auf Basis eines allgemeinen Stimm-
rechts davon aus, daβ auch armere Bevolkerungsschichten politisch partizipieren, dann ist es plau-
sibel anzunehmen, daβ die direkte Demokratie als unmittelbarste Form der Herrschaft des Volkes
eine vergleichsweise expansive Wirkung auf die Staatsausgaben entfalten kann. Je groβer die Par-
tizipation armerer Bürger und je starker ihr moglicher Einfluβ auf den Entscheidungs- und Wil-
lensbildungsprozeβ ist, desto groβer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Umverteilungspolitik. Dies
ist der sogenannte Robin Hood-Effekt der Demokratie (Downs 1968: 291). Gegen dieses Gedan-
kenexperiment spricht allerdings die empirische Beobachtung, daβ Lander mit direktdemokrati-
schen Elementen im Vergleich zu reinen reprasentativen Demokratien ein niedrigeres Niveau der
Staatstatigkeit aufweisen (Wagschal 1997).
Wie die genauere Analyse zeigt, ist die Dichotomie zwischen reprasentativen und direkten Demo-
kratien jedoch konstruiert. Darauf haben selbst Theoretiker der Reprasentativtheorie hingewiesen,
die in allen demokratischen Realtypen Strukturelemente beider Prinzipien sehen (Fraenkel 1990).
Es ist somit nicht moglich, „reine“ Direktdemokratien oder auch „reine“ reprasentativ verfaβte De-
mokratien zu identifizieren (Budge 1996: 44). Selbst in Landern wie den USA, wo überhaupt keine
Referenden auf nationaler Ebene abgehalten wurden, kann man verschiedene Elemente der direkten
Demokratie, beispielsweise auf bundesstaatlicher Ebene, feststellen. Im folgenden werden basie-
rend auf der Public Choice Theorie und auf Plausibilitatsüberlegungen diese beiden Idealtypen der
Demokratie, die Direktdemokratie und die reprasentative Demokratie, im Hinblick auf den Umfang
der Staatstatigkeit untersucht.