Der Einfluß der Direktdemokratie auf die Sozialpolitik



2.2. Das Niveau der Staatstatigkeit in der reprâsentativen Demokratie

Für representative Demokratien sind die Budgetmodelle der Public Choice Literatur komplizierter.
Das einfachste Modell eines Zweiparteiensystems mit einer Links- und einer Rechtspartei, einem
privaten und einem Offentlichen Gut, Mehrheitswahl, Gleichverteilung der Wahler entlang der
Links-Rechts-Achse, vollstandiger Information und keinen anderen Beschrankungen führt zu dem
Ergebnis, daβ beide Parteien in einem politischen Gleichgewicht dasselbe Programm mit dem glei-
chen Umfang an Offentlichen Gütern anbieten. Die Begründung dieses Resultats liefert die Stim-
menmaximierungsstrategie beider Parteien. Derselbe Befund stellt sich ein, wenn wir eine Normal-
verteilung der Wahler mit dem Modus in der Mitte der Links-Rechts-Skala unterstellen. Das daraus
resultierende politische Gleichgewicht reprasentiert den Medianwahler. Dies ist überraschend, wenn
man die unterschiedlichen politischen Ziele der Links- und Rechtspartei berücksichtigt.

Lockert man diese Annahmen, erhalt man unterschiedliche Ergebnisse. Beispielsweise kOnnen
loyale Wahler auf der anderen Seite des ideologischen Spektrums oder Restriktionen durch politisch
gebundene Stammwahler sowie durch finanzielle Geldgeber zu anderen Ergebnissen als denen des
Medianwahlerprogramms führen. Das gleiche gilt für eine andere Wahlerverteilung entlang des
Links-Rechts-Schemas. Für die Bundesrepublik Deutschland weisen empirische Auswertungen der
kumulierten Politikbarometerdaten auf eine multimodale Wahlerverteilung hin. Auch kann das
Auftauchen einer dritten Partei einen EinfluB auf das Programmangebot aufweisen. Veranderungen
der institutionellen Struktur dieses einfachen Modells, beispielsweise die Ànderung des Wahlmodus
hin zu einem Verhaltniswahlsystem, kOnnen das Ergebnis ebenfalls beeinflussen.

Ferner unterliegt die politische Entscheidungsfindung sowohl in der direkten als auch in der repra-
sentativen Demokratie den von den Modellen oft ausgeblendeten EinfluBmoglichkeiten von Interes-
sengruppen und der Bürokratie. Studien von Niskanen (1971) und Olson (1968) haben die Bedeu-
tung dieser Akteure analysiert und sie für das Anwachsen der Staatsausgaben verantwortlich ge-
macht. Darüber hinaus ist es notwendig, die Regierungsebene zu betrachten. Koalitionsregierungen,
die politischen Eliten, die Dynamik von Koalitionsverhandlungen, die GroBe von Koalitionen und
Logrolling kOnnen die Staatstatigkeit ebenfalls ausweiten. Die Konsequenz dieses heterogenen Bil-
des ist die folgende: Es ist auf der Basis dieser einfachen theoretischen Modelle keine Beurteilung
moglich, ob das Niveau der Staatstatigkeit in der direkten oder der reprasentativen Demokratie ho-
her ist, ob also die Schub- oder Bremswirkung im einen oder anderem Fall starker ist.

2.3. Argumente für eine geringe Staatstatigkeit in der Direktdemokratie

Unsere noch zu prüfende Hypothese lautet dennoch, daβ in liberaldemokratischen, reprasentativ
verfaβten Demokratien der Schubeffekt auf die Staatstatigkeit hoher ist als in Landern, die direkt-
demokratische Elemente in ihrer Verfassung haben und diese Instrumente auch regelmâBig anwen-
den. Verschiedene Plausibilitatsüberlegungen und Argumente führen zu dieser Arbeitshypothese
der gezügelten Staatstatigkeit in Landern mit starken direktdemokratischen Elementen.



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