Nach der Einführung von Arbeitslosengeld II: deutlich mehr Verlierer als Gewinner unter den Hilfeempfängern



Nach der Einführung von Arbeitslosengeld II: Deutlich mehr Verlierer als Gewinner unter den Hilfeempfangern

nicht zwischen einem allgemeinen konjunkturel-
len Effekt und einem originaren ALG-II-Effekt
unterschieden werden, der Vergleich der Veran-
derungen der Armutsquote von 2004 auf 2005 für
Haushalte ohne Leistungsbezug und Haushalte mit
Leistungsbezug lasst jedoch eine Einschatzung der
Wirkungsrichtung zu. Abgesehen von der Grup-
pe der Arbeitslosengeld-Haushalte hat sich die
Armutsquote bei den Transferempfangern stark
erhoht. Bei Personen in ALG-II-Haushalten lag sie
im Jahr 2005 bei 66 Prozent. Personen, die im Jahr
zuvor in Arbeitslosenhilfe-Haushalten gelebt hatten,
waren zu 51 Prozent einkommensarm gewesen.
Diese Erhohung ist vor allem auf die Entwicklung
in Ostdeutschland zurückzuführen.

Entgegengesetzt zu dem allgemeinen Trend einer
sich erhohenden Armutsquote entwickelte sich die
Armutsquote für die Personen in ALG-Haushalten.
Bereits bei der Betrachtung der Veranderung der
Einkommenssituation hat sich gezeigt, dass dieser
Gruppe 2005 teilweise deutlich hohere Einkommen
zur Verfügung standen als 2004, insbesondere in
Ostdeutschland. Dementsprechend ist die Armuts-
quote in dieser Gruppe von fast 28 Prozent im Jahr
2005 auf gut 16 Prozent 2006 zurückgegangen.

Einkommensanderungen im Langsschnitt

Die Daten des SOEP erlauben auch eine „Vorher-
Nachher-Langschnittsbetrachtung“ der Einkom-
mensverhaltnisse der unmittelbar von der Reform
betroffenen Personen.10 Die vorhandenen Studien
zu den Verteilungseffekten der Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe beruhen auf Ex-
ante-Simulationen und berücksichtigen lediglich
die Veranderungen bei den Arbeitslosenhilfe-Emp-
fangern und deren Angehorigen.11 Im Folgenden
werden ebenso die Verteilungswirkungen für die
Sozialhilfe-Bezieher ausgewiesen, da unterstellt
werden kann, dass sich auch fur diese Gruppe -
wenngleich im Durchschnitt auf niedrigerem Niveau
- aufgrund der Pauschalierung der Einmalleistungen
Einkommensveranderungen ergeben haben.

10 Nicht in die Untersuchung einbezogen werden jene Personen,
die vor der Reform erwerbslos waren, aber - weil sie keinen Anspruch
darauf hatten - weder Sozialhilfe noch Arbeitslosenhilfe erhielten,
aufgrund einer veranderten Rechtslage jedoch Arbeitslosengeld
II bekamen. Dazu zahlten insbesondere Jugendliche undjunge
Erwachsene, die die Gelegenheit genutzt haben, den Haushalt der
Eltern zu verlassen.

11 Hierbei zu nennen sind vor allem die Studie von Becker und
Hauser: Auswirkungen der Hartz-IV-Reform auf die personelle
Einkommensverteilung. Hans Bockler Stiftung, 2006; die von Schulte:
Arbeitslosengeld II und Arbeitslosenhilfe: Gewinner und Verlierer. Eine
Schatzung der Nettoeinkommenseffekte von Hartz IV. Diskussions-
beitrage des Fachbereichs der Wirtschaftswissenschaft der FU Berlin
29, 2004; und die von Rudolph und Blos: Schatzungen der Auswirkun-
gen des Hartz-IV-Gesetzes auf die Arbeitslosenhilfe-Bezieher. IAB
Forschungsbericht 14, 2005.

In die Analyse werden alle Personen in Arbeitslo-
senhilfe-Haushalten einbezogen, in denen der ehe-
malige Arbeitlosenhilfe-Empfanger im Jahr 2005
ALG-II-Leistungen erhielt oder aufgrund der gean-
derten institutionellen Rahmenbedingungen keine
Leistungen mehr bezog. Dagegen werden Personen
in Arbeitslosenhilfe-Haushalten ausgeschlossen, in
denen der fruhere Arbeitslosenhilfe-Bezieher auf-
grund einer Arbeitsaufnahme oder des Übergangs
in den Ruhestand keine Leistungen mehr bezog.
Bei den Sozialhilfe-Beziehern werden alle Personen
berucksichtigt, die in Haushalten leben, die 2004
diese Leistung erhielten und im Jahr 2005 entweder
immer noch Sozialhilfe oder ALG II bekamen.

In der Analyse werden die Nettoaquivalenzein-
kommen der Jahre 2004 und 2005 miteinander
verglichen.12 Als Gewinner13 werden jene Personen
bezeichnet, deren bedarfsgewichtetes Einkommen14
des Jahres 2005 um mehr als 5 Prozent gestiegen ist.
Dagegen gelten als Verlierer alle Personen, deren
bedarfsgewichtetes Einkommen 2005 um mehr als
5 Prozent gesunken ist. Einkommensanderungen
von weniger als 5 Prozent werden als stabile Ein-
kommenssituation angesehen. Betont werden muss,
dass die gemessene reale Einkommensanderung
vielfaltige Grunde haben kann. Die bisher verof-
fentlichten Ex-ante-Simulationsstudien, die den
ALG-II-Effekt in „Reinform“ simulieren, kommen
mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass etwas mehr als
die Halfte der betroffenen Arbeitslosenhilfe-Emp-
fanger Verluste erfahren (55 %-66 %), wobei die
Quote der Verlierer in Ostdeutschland als besonders
hoch angesehen wird (64 %-80 %).15

Die Halfte der Personen, die in Arbeitslosen- und
Sozialhilfe-Bezieher-Haushalten leben, mussten
Einkommensverluste hinnehmen. Dem steht ein
Drittel von Personen gegenuber, die Gewinne zu
verzeichnen hatten (Tabelle 4). Der durchschnittli-
che Ruckgang des Nettoaquivalenzeinkommens bei
den Verlierern fiel mit 31 Prozent deutlich aus, die
durchschnittlichen Zuwachse der Reformgewinner
waren aber noch hoher (40 %). Absolut gesehen sind
die Einkommensverluste jedoch merklich groβer als
die Zuwachse. So musste ein Reformverlierer durch-
schnittlich einen Ruckgang um 3 250 Euro jahrlich

12 Um die konkreten monetaren Auswirkungen darzustellen, wird
der Wert selbst genutzten Wohneigentums hier nicht berücksichtigt.

13 Im Folgenden wird die Differenzierung nach Gewinnern und
Verlierern der Einführung des ALG II, wie sie in den genannten Studien
vorgenommen wurde, beibehalten.

14 Die Einkommensveranderungen konnen auch Folge einer
veranderten Haushaltszusammensetzung oder von Ànderungen in
der Erwerbstatigkeit von Mitgliedern des Haushalts sein. Sensitivitats-
analysen, die nur Personen in Haushalten mit unveranderter Haus-
haltszusammensetzung berücksichtigen, bestatigen allerdings die
unten aufgeführten Ergebnisse, sowohl bezüglich der Verteilung nach
Gewinnern und Verlierern als auch bei der absoluten und relativen
Veranderung des bedarfsgewichteten Nettoaquivalenzeinkommens.
15 Becker und Hauser nutzen ebenfalls das SOEP für ihre Simulation
und kommen zu einer Verliererquote von 50 Prozent in Westdeutsch-
land und 65 Prozent in Ostdeutschland.

758 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 50/2007



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