Wettbewerbs- und Industriepolitik
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Anwender zusammenzubringen, eigene Unternehmen zu gründen, Unternehmens-
kooperationen zu initiieren und auf dieser Grundlage fur „zukunftstrachtige Tech-
nologien“ und neue Absatzmoglichkeiten zu sorgen (Stichworte: Bio-Photonik,
Neuro-Informatik, Nano-Biotechnologie, spezielle Forschung zur Bekampfung be-
stimmter Krankheiten); ein Mittel hierfur wird unter anderem in einer gezielten
Forderung von solchen Wissenschaftlern gesehen, die interdisziplinar arbeiten;
- Forderung von „Interregionalen Allianzen fur die Markte von morgen“.
Insoweit deckt sich die regierungsamtliche Interpretation der Lissabon-Strategie mit
der franzosischen Vorstellung und mit dem „Rahmenprogramm“ der Kommission vom
April 2005. Insoweit scheint auch die ursachliche Einschatzung der beklagten Wirt-
Schaftsentwicklung mit der franzosischen Auffassung zu konvergieren - im Wider-
spruch zur Diagnose einer Reihe anderer EU-Lander.
An dieser Stelle wird erkennbar, daβ es bei der Frage, wie die Lissabon-Strategie das
angestrebte Ziel erreicht will, um die Gewichtung des Verhaltnisses von Wettbewerbs-
und Industriepolitik, um die Einschatzung geht, was eine Mischung der beiden konkur-
rierenden Methoden der Integration menschlichen Wissens und Handelns leisten kann
(Schüller 1994, S. 306 ff.):
- Die Marktintegration als wettbewerblich-marktwirtschaftliche Methode (Erster
Weg).
- Die Politikintegration I als umfassender politisch-burokratischer Interventio-
nismus (Zweiter Weg).
- Eine Mixtur aus Marktintegration und Politikintegration II als punktueller In-
terventionismus (Dritter Weg).
Worin liegen die Besonderheiten des Ersten Weges (Kapitel 3.), des Zweiten und des
Dritten Weges (Kapitel 5.)? Die Antworten erschlieβen sich nicht von selbst. Sie han-
gen von der ordnungsokonomischen Orientierung und von politischen Kalkulen ab. Was
ist den Mitgliedslandern und ihren jeweiligen Regierungen bei der Wahl der Therapie
und der Zuweisung von Kompetenzen an die Kommission wichtiger: Eine zielgerechte
Mittelwahl oder eine solche, die besser erscheint, um die eigenen Wiederwahlmoglich-
keiten auf nationaler Ebene zu verbessern? Schlieβlich sind fur Wahl und Mischung der
beiden Integrationsmethoden die Eigeninteressen der EU-Kommission nicht unwichtig.
3. Marktintegration: Die wettbewerblich-marktwirtschaftliche Me-
thode der Wissenserschlieβung
3.1. Dezentrale Wissensquellen im Rahmen einer Ordnung der Freiheit
Bezugspunkt ist im folgenden ein Markt- und Wettbewerbsverstandnis, das auf die
Osterreichische und Freiburger (ordoliberale) Schule zurückgeht. Eine Weiterentwick-
lung dieses ordnungsokonomischen Denkens ist die Neue Institutionenokonomie (Coa-
se 1937, 1988). Wichtige Ausgangspunkte bestehen in folgenden Annahmen:
— Das okonomische Menschenbild im Sinne des methodologischen Individualismus
als Bezugspunkt des Prozesses der Wissensentstehung und -nutzung.