Wettbewerbs- und Industriepolitik - EU-Integration als Dritter Weg?



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Alfred Schüller

In diesen und anderen weit ausgreifenden Maβnahmen eines punktuellen Interventi-
onismus sehen
Villepin und andere führende franzosische Politiker wie Nicolas Sarkozy
und Ségolène Royal die Grundlage fur hohere Wachstumsraten, mehr Beschaftigung
und soziale Gerechtigkeit.

Mit der Industriepolitik der EU wird das franzosische Fortschrittsdenken bestatigt,
wonach die Mitgliedslander in der Technologiepolitik nur „stark“ sind, wenn sie ge-
meinsam und „von oben“ organisiert vorgehen. Gemeint ist damit ein
Dialog zwischen
Wirtschaft, Staat und der Europaischen Gemeinschaft, um Engpasse, Problembereiche
oder Chancen fruher zu erkennen und gezielte Anstrengungen zu ihrer Vermeidung und
Beseitigung zu unternehmen.

Auch die Bundesregierung hat sich nach 1998 der Meinung angeschlossen: Deutsch-
land kann nur mittels einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Staat, Wirtschaft und
Wissenschaft international mithalten. So ist auch das 2004 geschaffene „Innovationsbu-
ro“ zu verstehen. Es soll auf der Grundlage von „Horizontpapieren“ eine Zukunftsvision
fur Deutschland der Jahre 2010 bis 2015 vorlegen. Aus den so erarbeiteten „Modellvor-
haben“ sollen, ahnlich der Arbeitsweise der franzosischen „Modernisierungskommissi-
onen“20, konkrete Handlungsempfehlungen auf dem Gebiet der „Erforschung des Neu-
en“ erarbeitet werden.

Die von deutscher Seite seit 1998 unterstutzte franzosische Begeisterung fur ein Eu-
ropa des wirtschafts- und sozialpolitischen Interventionismus kann sich auf Art. 157
stutzen. Dabei durfte die EU-Kommission aus naheliegenden burokratischen Eigeninte-
ressen auch fur die zweite Interpretation (Kapitel 2.2.) empfanglich sein. Das zeigt sich
darin, daβ ihre aktuellen Vorstellungen zur horizontalen Integrationsmethode in dem
vieldeutigen Satz gipfeln: „Dabei muβ sie (die Kommission A. S.) allerdings
die spezifi-
schen Bedürfnisse und Merkmale einzelner Sektoren
berucksichtigen, vor allem aber die
der Burger und Arbeitnehmer, die immer hohere Anspruche an den Gesundheits- und
Umweltschutz stellen. Sie (die Industriepolitik A. S.) muβ deshalb je nach Sektor unter-
schiedlich gehandhabt werden.....Industriepolitik ist folglich gekennzeichnet durch ein

horizontales Grundkonzept und eine sektorspezifische Praxis“ (Kommission der EU
2002).

Dieser Grundsatz des sektorspezifischen Merkmals des Dritten Wegs der Integrati-
onspolitik eroffnet der Gemeinschaft, je nach Interpretation und Reichweite der sektora-
len Anwendung, Moglichkeiten fur eine fortschreitende Ersetzung des
horizontalen
durch den vertikalen Integrationsansatz. Begleiterscheinung ist eine zunehmende Punk-
tualisierung oder „Fragmentierung“ der Wettbewerbspolitik durch Ausnahmebereiche

20 Mitglieder der franzosischen „Modernisierungskommissionen“ waren Unternehmer, Ministe-
rialbeamte, Vertreter der Bank- und Kreditwirtschaft, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-
verbande, der Wissenschaft. Sie wurden durch die Regierung bestellt. Unverkennbar war ein
starkes Übergewicht der Unternehmer und Beamten. Die aktiv am jeweiligen Projekt Betei-
ligten sollten zusammen mit den Behorden die Projektziele festlegen. Das deutsche „Innova-
tionsburo“ hat damit begonnen, die Arbeit von 240 Fachleuten zu koordinieren. (Frankfurter
Allgemeine Zeitung, Nr. 290 vom 11. 12. 04, S. 4).



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