Wettbewerbs- und Industriepolitik - EU-Integration als Dritter Weg?



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Alfred Schüller

Problematisch ist insbesondere der Nachweis der Fahigkeit, dem Wettbewerbsdruck
und den Marktkraften innerhalb der EU unter den institutionellen Bedingungen stand-
zuhalten, die von der EU diktiert werden. Denn damit werden mogliche Ergebnisse der
Integration mit dem verwechselt, was in angemessener Weise nur in Marktprozessen
herausgefunden werden kann. Die rigide Vorgabe des „Acquis Communautaire“22 ist
Ausdruck des Denkens in Kategorien des „Einheitlichen Marktes“ und steht im Ver-
dacht, daβ die Altmitglieder aus Konkurrenzgrnnden die Neumitglieder an der Wahr-
nehmung der Vorteile hindern wollen, die die institutionelle Wettbewerbsfreiheit bietet.

Dieser Verdacht einer Beschrankung des Institutionenwettbewerbs stellt sich auch
deshalb ein, weil es bei der Anerkennung des „Acquis Communautaire“ um die Vor-
schrift von 14.000 Rechtsakten mit einem Rechtstext von ca. 80.000 Seiten geht. Man-
che Vorgaben der EU erinnern an die staatlichen Regulierungen in der Zeit des Merkan-
tilismus.23

Die bereits erwahnte Heterogenitat, die die betreffenden Lander kennzeichnet,
spricht gegen rigide Formen der Politikintegration, bei der das
supranationale Prinzip
der Regierungstatigkeit
an die Stelle der nationalen Regierungsverantwortung tritt.

Supranationalitat bedeutet: Mehrheitsvoten bestimmen die Gesetzgebung; Amtstra-
ger konnen unabhangig von nationalen Weisungen entscheiden; Supranationales Recht
dominiert das nationale Recht; vergleichsweise hohe Transaktionskosten für Einigungs-
prozesse und Aufsichtsverfahren - in Abhangigkeit von der Zahl und Heterogenitat der
Mitgliedslander zunehmen.

Für die Transformationslander ist ein Integrationskonzept, das den Ergebnissen von
offenen Marktprozessen so weitgehend vorauseilt, wie es dem Katalog der
Kopenhage-
ner Kriterien
entspricht, für das, was situationsabhangig zu leisten ist, nach aller Erfah-
rung zu schwerfallig. Wirtschaftlich aufholende Lander sind auf flexiblere Suchverfah-
ren angewiesen, um sich an die besonderen Anforderungen bei der Ressourcenumwer-
tung, der Beseitigung von Mobilitatshindernissen und der Losung von Verteilungsprob-
lemen bestmoglich anpassen zu konnen. Regelwerke mit kostspieligen Wohlfahrtsstaat-
lichen Standards, wie sie selbst in den Stammlandern der EU seit langem nicht mehr im
internationalen Wettbewerb tragbar sind, dürften für Nachzügler der Wirtschaftsent-

22 Damit ist der Gesamtbestand an Rechten und Pflichten gemeint, der für die Mitgliedstaaten
der EU verbindlich ist. Er besteht aus dem Primarrecht der Vertrage, dem Sekundarrecht,
den von den EG-Organen erlassenen Rechtsakten, den Entscheidungen des Europaischen
Gerichtshofes (EuGH), Erklarungen, Entschlieβungen und bestimmten Abkommen (
Kom-
mission der EU
2001).

23 In Frankreich gab es z..B. für die Tuch- und Textilindustrie Réglements, die zur Zeit Col-
bert
s einen Umfang von 20.000 Seiten im groβen Blattformat angenommen hatten. Durch
diese Réglements wurde zentral versucht, die gewerbliche Wirtschaft in die gewünschte
Richtung zu lenken, was jedoch in der Praxis haufig nicht gelungen ist. Die Unzahl von Ein-
zelbestimmungen konnte schon technisch haufig nicht beachtet werden, im Grunde war jeder
Unternehmer fortgesetzt straffallig. Aus der Zeit
Colberts sind immer wieder Klagen überlie-
fert, daβ die Anweisungen der Zentrale nicht befolgt wurden, aber auch Sanktionen nicht
durchgesetzt werden konnten.



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