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ausgabenbegrenzende Entscheide einen expansiven Effekt auf. Die Anzahl der restriktiv wirkenden
Referenden ergibt sich aus der Summe der angenommenen steuer- und ausgabenbegrenzenden
Referenden sowie der abgelehnten steuer- und ausgabenerhohenden Referenden. Die Befunde aus
Tabelle 6 weisen auf einen überwiegend bremsenden Effekt der direkten Demokratie im Hinblick
auf die Staatstatigkeit hin. Ferner zeigt sich auch ein eindeutiger Statistischer Zusammenhang zwi-
schen dem Referendumstyp und seiner Wirkung (Tabelle 6). Beim fakultativen Referendum geht
von 60% der Vorlagen ein restriktiver fiskalpolitischer Effekt aus.
Tabelle 6: Wirkung fiskalpolitischer Volksabstimmungen in der Schweiz (1848-1998)
Referendumstyp |
Obligatorisch |
Fakultativ |
Initiative |
Insgesamt |
Expansive Wirkung a |
25 |
16 |
2 |
43 |
Restriktive Wirkung b |
23 |
24 |
22 |
69 |
Anmerkungen: Es wurden die Daten aller Schweizer Volksabstimmungen bis einschlieβlich November 1998
klassifiziert. a = Summe der angenommenen steuer- und ausgabenerhohenden Referenden sowie der abgelehn-
ten steuer- und ausgabenbegrenzenden Referenden; b = Summe der angenommenen steuer- und ausgabenbe-
grenzenden Referenden sowie der abgelehnten steuer- und ausgabenerhohenden Referenden.
Die Verbreiterung der fiskalischen Basis entpuppte sich für die offentliche Hand damit insgesamt
als auβerordentlich schwierig und hatte betrachtliche Konsequenzen fur die Entwicklung der staatli-
chen Sozialpolitik. 1919 kündigte der Bundesrat die Schaffung einer Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung an, koppelte jedoch dieses Projekt an die Schaffung einer Erbschafts- und
Biersteuer sowie an die Ausdehnung des Alkoholmonopols (BBl 1919 IV: 127; 149-50). Kantona-
ler Widerstand hebelte die Erbschaftssteuer aus, wahrend die Biersteuer im Nationalrat zu Fall ge-
bracht wurde, um das durch die Nachkriegsrezession angeschlagene Brauereigewerbe zu schonen
(Sommer 1978). Der Bundesrat sah sich angesichts dieser Situation gezwungen, das Versiche-
rungsprojekt abzuspecken und koppelte die Invalidenversicherung von der Alters- und Hinterlasse-
nenversicherung ab (BBl 1924 II: 685). Gegen dieses Rumpfprojekt wurde 1931 aus antietatisti-
schen Motiven und nicht zuletzt wegen der unklaren Finanzierung von rechtsgerichteten Gruppen
das Referendum ergriffen, dem sich kurioserweise auch der katholisch-konservative Finanzminister
Jean-Marie Musy anschloβ. Die Kommunisten lehnten das Gesetz wiederum wegen der unzurei-
chenden Leistungen ab, so daβ es - angesichts dieses Zangengriffs von links und rechts - nicht uber-
raschend 1931 zu Fall gebracht wurde. Die finanzierungsbedingte Abkoppelung der Invalidenversi-
cherung hatte jedoch nachhaltige Konsequenzen: Wahrend die Alters- und Hinterlassenenversiche-
rung 1948 wirksam wurde, wurde die Invalidenversicherung erst 1960 in Kraft gesetzt.
4.3.3. Volksinitiativen
Die Volksinitiative wird typischerweise von oppositionellen Gruppen und politischen Minderheiten
mit geringem Entscheidungsanteil genutzt, um ihre Anliegen in das politische System einzubringen
oder um die politischen Entscheidungstrager fur ihr Anliegen zu sensibilisieren. Insbesondere kann