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Noch weitaus komplizierter als die hier nur angedeuteten Strukturen in
biologisch-überindividuellen Ordnungen sind menschlich-soziale und speziell
Wirtschaftssystem-Strukturen; aber auch sie Iassen sich im Kern auf den
Zusammenhang zwischen FiuB-Beziehungen (im Ungleichgewicht) und Baiance-
Beziehungen (als Tendenz zum Gleichgewicht) zwischen Potentialen auffassen.
Man denke etwa an die Reaktion von Wirtschaften auf Verknappungen in der
relevanten Umwelt, die in Umstrukturierungen (FLüsse und Balancen betreffend)
wirksam werden. Besonders plastisch wird dies durch HOPPMANN (1980)
Veranschaulicht, der - in Auseinandersetzung mit dem Statischen
Totalgleichgewicht der "reinen Tauschwirtschaft" - die Tendenz zum Gleichge-
wicht in der Wirkiichen Tauschwirtschaft wie folgt beschreibt: "Sie muβ nun
aufgefaβt werden als Vorgang, durch den die Subjektiven Daten und die Plane der
Marktteilnehmer fortlaufend zu immer groβerer Llbereinstimmung geführt werden. Gleichgewicht
in diesem Sinne Iiegt nicht vor, Solange die Plankoordinierung Iijckenhaft ist. Sie ist lückenhaft,
wenn die Wechselseitig erwarteten Tauschakte in Bezug auf die erwarteten und geplanten Preise
und Mengen differieren. Diese Differenzen bieten demjenigen, der sie antizipiert, Gewinnchancen:
wenn findige Marktteilnehmer dadurch angereizt werden, diese aufzuspüren und entsprechend zu
handeln, dann kônnen sie diese Gewinnchancen mit Hilfe von Arbitragegeschaften ausnutzen.
Dadurch setzen sie Marktprozesse in Gang, durch die diese Preisdifferenzen immer weiter
verringert werden. (...) Solange dieser .Prozeβ der Koordination des Handetns noch nicht zum
Stillstand gekommen ist, kann noch kein wirkliches Gleichgewicht vorliegen. Deshalb dient es der
Klarheit, wenn man in Bezug auf die Wechselseitige Koordination des Handelns nicht von
Gleichgewicht spricht, sondern den Begriff 'Ordnung' verwendet. Sofern in den Marktablaufen
eine solche Koordination erfolgt, nennt man das im Markt entstehende Muster der
Handelnsablaufe eine 'Handelnsordnung'. Sie wird nicht durch bewuβte Anordnung hergestellt,
sondern ergibt sich, weil Menschen, die aufgrund eigener Plane und Entscheidungen handeln, ihr
Handeln aufgrund gemeinsamer Spielregeln spontan koordinieren" (S. 26). 45
Es ist aber nicht nur die spontané Ordnung, wie sie durch HOPPMANN im Sinne
v.HAYEKs46 beschrieben wird, die durch das Miteinander von Balance- und
Fluβbeziehungen beschrieben werden kann. Nach Ansicht des Autors führen
auch bewuβte Pmordnungen (z.B. als gelenkte Ressourcen-FlüsseJ, môgen sie in
einer Zentralverwalteten Wirtschaft dominieren und in einer Marktwirtschaft
Untergeordnet sein, zur Balance. Sonst gâbe es in der Realitat Zwangslaufig
45Fiir (Neu-)Verknappungen5 die zunâchst nicht fiber Preisveriinderungen Signalisiert werden, sondern als
Iechnologisch externe Effekte auftreten, hat WEGEHENKEL (1991)den Spontanen Weg des Ausbalancierens
zu einem paretooptimalen Systemzustand hin beschrieben. Bei pekuinαren externen Effekten (im Sinne einfa-
cher durch den Preis Signalisierter Verknappungen) kann ans Untemehmenssicht bereits der Einsatz einer Re-
serve ausreichen, um den durch diese Storung bewirkten Auslenkungszustand Stabilisierend auszugleichen
(vgl. hierzu KROLL 1982).
46 Vgl. u.a. v.HAYEK (1983b)