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rechtlichen Regelungen Verfestigten sich stets neu entstandene Krafte-
Beziehungen.
Das Besondere der Polis-Struktur aber ist, daβ sich aus einem Zustand des
Wirtschaftlich nahezu Unstrukturierten Nebeneinanders von Selbstversorgungen
ein Miteinander der Politen und damit eine Gesellschafts-Wirtschaft überhaupt
entwickelt hat, die Ressourcenflüsse in die Befriedigung gemeinsamer
Bedürfnisse Ienkte - von der Sicherung der Getreidezufuhr über den Auf- und
Ausbau von Hafen und Flotte bis zum Unterhalt der antik-demokratischen
Institutionen.
f) Elemente-Beschaffenheit, Struktur und Potential der Polis - ein Fazit
Eine Zunahme des Wirtschaftspotentials der Polis Athen, verbunden mit einem
Anwachsen der Anzahl und des Umfangs ihrer Wirtschaftlichen (Kapital-)
Bestande und ihrer Leistungen, die in wachsendem Maβe für
auβerokonomischen Konsum erbracht wurden, lieβ sich insbesondere für einen
"ersten Teil" ihrer Aufstiegsphase erkennen. Diese Zunahme beruhte auf
wachsenden Potentialen in ihren Elementen und auf ihren Strukturellen
Veranderungen, zu denen dominander werdende Elemente drangten und von
denen sie profitierten. Die elementaren Potentiale wuchsen zunàchst vor allem in
den auf Politen-Eigentum beruhenden Groβgutern und -gewerbebetrieben, die
massenhaft und "billig" die "Materialitat" der Sklavenarbeit einführen konnten,
diese zunehmend Spezialisierten und zu Überschüssen führten. Ohne diese
okonomisch-energetischen Überschüsse hàtte der antike Stadtstaat, hatten sein
Stadtisches Zentrum selbst, das mit Getreidezufuhren von auβen versorgt
werden muβte, seine antik-demokratischen Institutionen, seine militarische
Starke und sein kulturell-künstlerischer Reichtum nicht herausgebildet werden
konnen, ware aus dem Nebeneinander von Selbstversorgungen keine
Soziookonomische Gemeinschaft entstanden; DE MARTINO (1985) faβt diesen
Zusammenhang in folgende Worte: "Durch eine augenscheinliche Paradoxie der
Geschichte wurde die individuelle Freiheit durch die Sklaverei gewahrleistet.
Ohne Sklaverei muβte auch die Freiheit erlôschen" (S.419)77 Die Strukturen, die
77DE MARTINO meint hier die klassische Freiheit für die Bürger im Sinne der antiken Demokratie, die in der
Abschwungphase der Romischen Kaiserreiehes (siehe Abb. 6.1) nicht mehr aufrechterhalten werden konnte:
"Solange die Sklavenhaltergesellschaft einigermaben normal funktionierte. gab es nicht die geringste
Notwendigkeit für den Staat, einzugreifen (...) Als diese Zusammenzubrechen begann , verlagerte sich der
Zwang anderswohin. (...) Ohne die Schwachung des herkommlichen Wirtschaftssystems hâtte das Imperium
weiter fortdauem konnen wie einst. Nun war das, was in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit von
der klassischen Freiheit übrig geblieben war, nicht mehr mit einem Uberleben vereinbar" (1985, S. 419).
Ebenso den Bogen vom antik-demokratischen Athen zum Spiitantiken Rom ziehend, führte auch nach WEBER
(1988a) das Versiegen des Sklavenmarktes. als "an die Stelle des ehelosen Kasernensklaven der Bauer im