Wettbewerbs- und Industriepolitik
wird, so kann sich dies beziehen erstens auf die Beihilfeaufsicht gemaβ Art. 92 ff EG-
Vertrag, auf allgemeine Maβnahmen, die einer Behinderung privatwirtschaftlicher Ak-
tivitaten (etwa seitens Offentlicher Unternehmen) entgegenwirken. Art. 157 als Grund-
lage für die Forderung der Wettbewerbsfahigkeit, der besseren Nutzung des industriel-
len Potentials in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung,
für die Erleichterung der Anpassung an die strukturellen Veranderungen kann sich aber
zweitens auch beziehen auf vielfaltige Fordermaβnahmen (Subventionen, Steuerver-
günstigungen, staatliche Regierungsauftrage, Kredite und Investitionshilfen), die im
Sinne planifizierender Bestrebungen darauf hinzielen, die branchen- und regionenbezo-
genen Strukturen der Wirtschaftsentwicklung interventionistisch, also punktuell zu be-
einflussen, ja vielleicht sogar zu beherrschen (siehe Kapitel 4. und 5.). Struktur-, Regio-
nal- und Kohasionspolitik (einschlieβlich der Tatigkeit der Europaischen Investitions-
bank EIB) werden deshalb hier als Aspekte einer Industriepolitik aufgefaβt, die darauf
gerichtet ist, im Tatigkeitsfeld des Art. 3 gezielt das beseitigen zu wollen, was als „Un-
gleichheit“ definiert wird.
Art. 163 ff. EG-Vertrag verfolgen in Verbindung mit der sog. Industriepolitik das
Ziel, „die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Ge-
meinschaft zu starken und die Entwicklung ihrer internationalen Wettbewerbsfahigkeit
zu fordern sowie alle Forschungsmaβnahmen zu unterstützen, die aufgrund anderer Ka-
pitel dieses Vertrags für erforderlich gehalten werden“. Die allgemeinen und speziellen
Maβnahmen der Forschungs- und Technologieforderung werden auf der Grundlage ei-
nes koordinierten Vorgehens von Kommission und Mitgliedstaaten in mehrjahrigen
Rahmenprogrammen zusammengefaβt, um die „Koharenz der einzelstaatlichen Politi-
ken und der Politik der Gemeinschaft sicherzustellen“. Hier wird die Moglichkeit sicht-
bar, daβ die Kommission vor allem die zweite Interpretation von Art. 157 in den Mittel-
punkt ihrer industriepolitischen Bestrebungen rücken und nutzen kann, um das zu be-
herrschen, was als technische Schlüsselindustrien verstanden wird (siehe Kapitel 5.).
Für dieses hier nur in groben Zügen skizzierte Handlungskonzept stellt sich die Frage
nach dem Verhaltnis von Wettbewerbs- und Industriepolitik, wenn es darum geht, die
allgemeinen Aufgaben von Art. 2 und die speziellen Aufgaben von Art. 3 EG-Vertrag
zu losen. Annahmegemaβ müssten hierdurch Wissensquellen für mehr Wachstum und
Beschaftigung erschlossen und genutzt werden konnen. Besonders Art. 157 und die Art.
163 ff. eroffnen Perspektiven für Versuche, nach einem „Dritten Weg“ Ausschau zu
halten, auf dem man durch Mischung jeweils der vermeintlich besten Seiten beider We-
ge integrationspolitisch gleichsam die beste aller moglichen Losungen schaffen kann.
Ist ein Dritter Weg zwischen Wettbewerbs- und Industriepolitik ein Ausweg aus den
aktuellen Krisenerscheinungen und allgemein für eine erfolgreiche Entwicklung der auf
bald 27 Mitglieder erweiterten EU? Das ist die Kernfrage dieses Aufsatzes.
2.3. Lissabon-Strategie zwischen Marktintegration und Politikintegration
Die unter 2.2. genannten Artikel zeigen: Beim EG-Vertrag handelt es sich von An-
fang an um eine europaische Wirtschaftsverfassung des Wettbewerbs. Darin kann des-