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wurden im Fall Kalifornien alle untersuchten Abstimmungen auch dahingehend klassifiziert, ob sie
konservativ oder progressiv wirken. Für die Schweiz wurden - getrennt nach Sozial- und Fiskalab-
stimmungen - die Kriterien weiter aggregiert, um so eindeutige Aussagen hinsichtlich der zu identi-
fizierenden Effekte zu erhalten.
4. Direktdemokratie und Sozialpolitik in der Schweiz
4.1. Instrumente der direkten Demokratie
Die Beteiligungschancen der Bürger an der politischen Macht sind in der Schweiz auβerordentlich
hoch und werden auf nationalstaatlicher Ebene in keinem Land der Welt übertroffen. Seit der Ver-
abschiedung der Schweizer Verfassung im Jahre 1848 wurden auf Bundesebene bis Ende Novem-
ber 1998 insgesamt 448 Referenden abgehalten.
Drei Einrichtungen der direkten Demokratie ermoglichen dem Souveran auf Bundesebene die re-
gelmaβige Partizipation am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeβ: das obligatori-
sche Referendum, das fakultative Referendum und die Volksinitiative. Referenden und Volksinitia-
tiven bestehen auf allen staatlichen Ebenen, also auch auf Gemeinde- und Kantonsebene. Generell
gilt, daβ die Entscheidungsmitwirkung des Volkes mit zunehmender materieller Bedeutung von
Rechtsnormen ansteigt: Wahrend Verordnungen und einfache Parlamentsbeschlüsse ohne Mitwir-
kung des Souverans verabschiedet werden konnen, unterliegen Verfassungsanderungen ausschlieβ-
lich der Letztentscheidungsgewalt des Volkes.
Seit 1848 muβ jede auf dem Wege der Bundesgesetzgebung vorgenommene Verfassungsanderung
sowie, seit 1977, ein Beitritt zu einer supranationalen Organisation einem obligatorischen Referen-
dum unterzogen werden. Jede Anderung der Bundesverfassung (BV) benotigt dabei sowohl die
bundesweite Zustimmung des Volkes als auch die Zustimmung einer Mehrheit der Kantone
(„Standemehr“).
Das zweite zentrale Instrument der direkten Demokratie ist das 1874 eingeführte fakultative Geset-
zesreferendum. Durch die Sammlung von (derzeit) 50.000 Unterschriften innerhalb einer Frist von
100 Tagen (seit April 1997), müssen Bundesgesetze, allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse so-
wie bestimmte volkerrechtliche Vertrage (unkündbare Staatsvertrage, Beitritt zu einer internationa-
len Organisation) gemaβ Art. 89 BV einer Volksabstimmung unterworfen werden, wobei die einfa-
che Volksmehrheit entscheidet.
Schlieβlich kann gemaβ Art. 121 BV durch Sammlung von 100.000 Unterschriften innerhalb einer
Rahmenfrist von 18 Monaten eine Volksinitiative auf Erlaβ, Aufhebung oder Abanderung bestimm-
ter Artikel der Bundesverfassung initiiert werden. Dieses Begehren auf Partialrevision der Bundes-
verfassung kann entweder in Form einer allgemeinen Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf
eingebracht werden. Wird das Initiativbegehren in Form einer allgemeinen Anregung eingebracht