OSTEUROPA-INSTITUT REGENSBURG
Working Paper Nr.282
nen bzw. den Beitrag der totalen Faktorproduktivitat überzeichnen. So zeigt ein Kon-
junktursurvey der Ukrainischen Nationalbank, dass Ende 2006 über 70% der Unter-
nehmen an der Kapazitatsgrenze operieren.32 Die Diskrepanz dürfte sich daraus erkla-
ren, dass ein groβer Teil des Kapitalstocks obsolet geworden ist, und zumindest teilwei-
se in Zukunft nicht mehr genutzt werden wird. In jedem Fall bedeutet dies, dass der
Wachstumsprozess in seiner bisherigen Form so nicht fortzuschreiben sein wird.
Der ukrainische Kapitalstock war schon 1990 extrem veraltet. Trotzdem wurde in
den 1990er Jahren wenig zu Erneuerung getan, wahrscheinlich hat sich die Alterstruktur
des Kapitalstocks bis Anfang des neuen Jahrhunderts sogar weiter verschlechtert.33
Dies gilt besonders fur die Offentliche Infrastruktur (Transportwege, Offentliche Versor-
gung) wie verschiedene Havarien in diesen Bereichen im vorigen Jahrzehnt zeigten. Am
Anfang des neuen Jahrhunderts bestand also hOchstwahrscheinlich ein sehr hoher Er-
satzbedarf fur den Kapitalstock. Selbst wenn man mit moderaten Abschreibungsraten
rechnet, konnten die Investitionen anfangs der 2000er Jahre kaum den Ersatzbedarf de-
cken. Der Kapitalstock sank weiter. Wurde man eine wirtschaftlich effiziente Ver-
schrottungspolitik voraussetzen, so durften zumindest in Offentlichen, aber auch in
manchen privaten Bereichen weiterhin die Investitionen kaum fur die Ersatzinvestitio-
nen ausreichen.
In anderen Sektoren kam es allerdings durch Konkurse und/oder Abschreibung zu
einer Reduzierung des Kapitalstocks, der deswegen heute eine jungere Alterstruktur
aufweist. Modernisierungen hat die Exportindustrie Stahl und Eisen durchgefuhrt, die
letztlich auch zu einer Steigerung der Energieeffizienz in diesem Bereich führte. Àhnli-
che Modernisierung gab es auch in Teilen der Landwirtschaft. Finanziert wurde ein
wesentlicher Teil dieser Modernisierungen durch Kredite.
Ein hoher Anteil des wirtschaftlich obsoleten Kapitalstocks erfordert zum einen hohe
Investitionen. Zum anderen aber kommt es rein rechnerisch zu einer ErhOhung der In-
vestitionseffizienz (reziproker marginaler Kapitalkoeffizient), wenn stark veraltete Ma-
schinen durch neue Anlagen ersetzt werden. Investitionen kOnnen hohe Ertrage erbrin-
gen, wenn sie in bisher vernachlassigten Sektoren erfolgen. Trotz mancher Erfolge bei
der Modernisierung des Kapitalstocks durfte aber in den meisten Branchen weiterhin
Bedarf dafur bestehen, insbesondere in jenen Sektoren, die in der Vergangenheit Finan-
Zierungsschwierigkeiten hatten, da sie z.B. nicht im Blickfeld der ukrainischen Groβin-
dustrie lagen (etwa die Landwirtschaft).34
pe der GUS-Staaten (fur den Zeitraum 1999-2005), der sie die Ukraine zuordnen. Sie verweisen aber
darauf, dass „in some countries, but particularly in the CIS, part of the productivity gains derived from
the utilization of excess capacity, which is normal during a recovery.“ Vgl. Alam et. al. (2008), S. 10.
32 OECD (2007), S. 26; Anderen Angaben zufolge bewegte sich 2006/2007 etwa die Stahlindustrie bei
einer Kapazitatsauslastung von rund 95%. Vgl. McKinsey&Company (2009), S. 3.
33 Die Stahlindustrie ist ein weiteres Beispiel fur die vOllige Veraltung des ukrainischen Kapitalstocks in
den 1990er Jahren. Bis in die jungste Zeit verwendete die Ukraine noch Produktionstechnologien der
Stahlerzeugung, die in den Industrielandern aber auch in Landern wie China wegen ihrer Unwirtschaft-
lichkeit schon vor Jahrzehnten ausgemustert wurden. Vgl. IER (2002), Table 3.1, S.15.
34 Die Finanzindustrie in der Ukraine liegt zum groβen Teil in Handen der Groβindustrie, die ihre eigenen
Banken unterhalten.
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